Das Format AgrarDebatten.vorOrt der Fakultät für Agrarwissenschaften der Universität Göttingen fand in diesem Semester zum zweiten Mal virtuell statt und eröffnete somit wieder die Möglichkeit einer Teilnahme über Göttingen hinaus.
Wer am 30. Juni allerdings nicht live dabei sein konnte, hat nun hier die Möglichkeit sich die einzelnen Stellungnahmen der drei Diskutanten noch einmal anzuhören als auch die Aufzeichnung der kompletten Debatte nach zu verfolgen. Die Kommentarfunktion lädt zudem dazu ein, die angefangene Diskussion im Webinar an dieser Stelle fortzuführen. Hierfür finden Sie die gestellten Fragen aus Zoom weiter unten.
Die Europäische Kommission stellte am 20. Mai 2020 ihre Farm-to-Fork-Strategie für eine nachhaltigere Landwirtschaft im Rahmen des European Green Deal vor. Reduktionsvorgaben beim Einsatz von Antibiotika sowie Dünge- und Pflanzenschutzmitteln, aber auch die Ausweitung der ökologischen Landwirtschaft sind Kernelemente der Vorschläge. Während DBV-Präsident Ruckwied die Pläne als „Generalangriff auf die europäische Landwirtschaft“ bezeichnete, bewertete NABU-Präsident Krüger diese als „wichtige Bausteine hin zu einer zukunftsfähigen Wirtschaft und Gesellschaft“.
Wie die Farm-to-Fork-Strategie die bevorstehende Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik beeinflussen wird, diskutierten Dr. Lütteken der EU-Kommission, Dr. Schlüter des Deutschen Bauernverbands und Herr Prescher des NABU, moderiert wurde die Debatte von Prof. Dr. Brümmer der Uni Göttingen:
Dr.in Antonia Lütteken
EU-Kommission, Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung
Dr. Simon Schlüter
Deutscher Bauernverband e.V., Internationale Beziehungen (Büro Brüssel)
André Prescher
NABU e.V., Experte für EU Agrarpolitik (Brüssel)
Moderation:
Prof. Dr. Bernhard Brümmer
Landwirtschaftliche Marktlehre, Universität Göttingen
Fragen aus dem Webinar
Inwiefern sind eco-Schemens fakultativ? | Dr. Franziska Kersten |
Frage an Frau Dr. Lütteken: Auf welcher Basis wurden die Reduktions- und Ausweitungszahlen in der Farm to Fork Strategie festgelegt? Warum sollen beispielsweise 50% der eingesetzten Pflanzenschutzmitteln eingespart werden, oder warum soll der Anteil des biologischen Landbaus auf 25% ausgedehnt werden? |
Konstantin Kockerols |
An Frau Dr. Lütteken: Wie soll das Antrags- und Kontrollsystem mit Strategieplan laufen? Weiterhin durch die BL in Eigenregie und mit regelmäßigen Präsenzkontrollen oder soll auf mehr Vertrauen in die Landwirte gesetzt werden? |
Eike Christian Grupe |
Ist es denkbar, dass durch die pauschale Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes in bestimmten Regionen der gesundheitliche Nutzen durch beispielsweise höhere Mykotoxinbelastungen verloren geht? |
Anonym |
Fra Dr. Lütteken. Haben Sie sich in Brüssel schon mal gefragt, ob das nicht alles viel zu kompliziert wird, weil zuviele Ziele erreicht (Restriktionen beachtet werden) sollen. Es gibt keine Lösung mehr so wie bei der Mischfutteroptimierung mit zuvielen Restriktionen über die lineare Programmierung. |
Arnold Krämer |
10% der ldw. Produktionsfläche „vernichten“ wollen, aber weniger importieren wollen?? Auf den Vorschlag des NABUs hinsichtlich der Umsetzung sind bestimmt viele gespannt |
Andre |
was sind grüne Bündnisse? |
Disha Palkar |
Was sind die Ziele in Bezug auf Tierschutz? |
Disha Palkar |
Warum hat sich die KOM so explizit für ein bestimmtes Landbewirtschaftsungssystem (25% Flächenanteil Bio-Ldw.) entschieden? Z.B. aufgrund geringerer Flächeneffizienz ergeben sich doch Zweifel an nachhaltiger Entwicklung, wenn man den nötigen Dreiklang von ökologischer, ökonomischer und sozialer Kriterien anlegt. Wäre ein systemoffener Ansatz im Einklang mit Zielgrößen (z.B. PSM, Dünger, Biodiversität) nicht flexibler und zukunftstauglicher? So scheint es nicht ohne starke Subventionen und Abgrenzung nach Außen zu gehen… |
Christoph Rathmann |
YouTube fragt: Was verbirgt sich hinter dem Ziel „Resilienz“ in der Farm2Fork-Strategie? Wie relevant ist dieses Ziel in der Farm2Fork-Strategie? Was ist diesbezüglich relevant für Landwirte? |
Christoph Duden |
Frage an Frau Dr. Lütteken und Herrn nPrescher: Wie wollen Sie die LÖandwirte mitnehmen?? Über eine Verordnungskultur seitens der EU und Deurschland. |
Detlef Nickel |
Dr. Schlüter hat Ihnen die Hand des Berufsstandes allen gereicht warum nimmt die Eu und Politik nicht die Hand. |
Detlef Nickel |
Nationale Maßnahmen verzerren Wettbewerb – bspw. einige Länder erlauben immer noch die Beizung des Saatguts mit Neonicotinoiden – Deutschland hingegen nicht? Das ist nur eines von vielen Beispielen, dass insbesondere deutschen Landwirten Wettbewerbsnachteile bringt. Wie sollen solche nationalen Unterschiede innerhalb der EU in Zukunft besser auf ein „Level“ gebracht werden? |
Anonym |
YouTube fragt: Wie passt die Ausweitung des Ökolandbaus mit der Reduktion von Pflanzenschutzmitteln u. a. zusammen? Können wir die Anbaufläche in der EU versechsfachen? |
Weitergeleitete Frage von YouTube |
Bisher wurden nur die Probleme während des Imports von Produkten bei höheren EU-Standards angesprochen. Wie sehen Sie die Zukunft der EU als (momentan) weltweit größten Agrarexporteur nach Umsetzung der Strategien? |
Anonym |
Ist die Einschätzung richtig, dass die F2f-Strategie nur dann erfolgreich umgesetzt werden kann, wenn alle angesprochenen Gruppen mitmachen (d. h. nicht nur die Landwirte, sondern auch die Verarbeitung, der Handel und insbesondere auch die Verbraucher)? Sieht die KOM angesichts der bevorstehenden schweren Wirtschaftskrise in vielen MS tatsächlich den Spielraum, entsprechende Initiativen finanziell zu unterstützen? Und werden die Verbraucher tatsächlich den für Erzeugnisse mit höheren Umwelt- und Tierschutzstandards erforderlichen Aufpreis zahlen (wir reden hier nicht von ein paar Cent, sondern von signifikant höheren Konsumausgaben, die tatsächlich etwas verändern, andererseits aber dann auch in anderen Bereichen der Wirtschaft fehlen werden)? |
H. P. Schons |
Wird das, was man seitens der Kommission plant, nicht viel zu kompliziert, weil zuviele Ziele erreicht (Restriktionen beachtet) werden sollen? Es gibt unter solchen Bedingungen keine Lösung (siehe Problem der Mischfutteroptimierung über lineare Programmierung). Wer macht dann von den Landwirten noch mit?. Wir raten doch heute schon Landwirten von der Teilnahme an Agrarumweltmaßnahmen ab. |
Arnold Krämer |
Inmittels welchen Initiativen soll die Zwecke von EU zu den Veränderungen von Konsumverhalten beitragen? |
Disha Palkar |
Ziele und Visionen sind ok. In Deutschland verkünden die Politiker aber die EU Ratspräsidentschaft sehr intensiv für verbindliche Vorgaben um dann auf der Grundlage Gesetze zu entwickeln. 🙁 |
Detlef Nickel |
YouTube fragt: Welche Rolle spielt das Thema Welternährung? Können wir uns ertragsmindernde Maßnahmen überhaupt leisten, angesichts d. Auswirkungen des Klimawandels anderswo? Timo Küntzle, Rechercheplatform Addendum |
Weitergeleitete Frage von YouTube |
YouTube fragt: Wie will man den Verbraucher überzeugen auch 25 % ökologisch produzierte Produkte nachzufragen? |
Weitergeleitete Frage von YouTube |
Wie sollen gleiche Erträge, also eine gleichbleibende Bodenfruchtbarkeit, erhalten werden wenn pauschal 20 % weniger Nährstoffe zugeführt werden dürfen? Bedeutet dies „rote Gebiete“ für die gesamte EU? Was bei Nährstoffmangel passiert können Sie auf jedem Versuchsgut beobachten. Werden die Mindererträge auf Seiten der Landwirte kompensiert? |
Hendrik Hoberg |
Würden nicht vielleicht gekoppelte Zahlungen für Umweltmaßnahmen besser wirken als die komplexen und teils freiwilligen Instrumente, die wir bisher diskutieren? |
Anonym |
Wie kann es gelingen, die Regeln seitens der EU so zu gestalten, dass die Wirtschaftsstruktur nicht immer weiter genötigt wird, größer zu werden (Wachsen oder Weichen). Aktuelles Beispiel: Hygieneanforderungen an Schlachtereien. |
Stefan Stegemann |
Wenn die EU ihre Standards in internationalen Handelsabkommen durchsetzen will, riskiert sie dann nicht auch, dass unsere Erzeuger und Verabeiter aus den globalen Wertschöpfungsketten augeschlossen werden (weil bestimmte Waren dann nicht mehr in die EU kommen)? |
Anonym |
Ein User von YouTube kommentiert die Debatte:
>> Konstruktive Debatte zu einem extrem wichtigen Thema! Ich finde es wichtig, dass die Landwirtschaft zeigt, dass sie die Wünsche der ihrer Kunden ernst nimmt und ich würde mich freuen, wenn diese ehrgeizigen Ziele erreicht werden können, ohne v.a. die kleineren landwirtschaftlichen Betriebe zu gefährden.
Meine fünf Wünsche bei der Umsetzung:
1. Faire Preise für Produkte, die unter diesen Bedingugen produziert warden
2. Bürokratischen Aufwand so gering wie möglich halten
3. Stärkere Förderung von Landschaftselementen statt derart starke Reduktion von Pflanzenschutzmitteln
4. Das Spektrum der Pflanzenschutzmittel nicht reduzieren – immer das gleiche spritzen ist NICHT nachhaltig
5. Anreize zur langfristigen Strukturänderung (wieder mehr Tierproduktion in Ackerbauregionen und mehr Ackerbau in Regionen mit intensive Tierproduktion) <<