Ein Beitrag von Dr. Horst-Henning Steinmann des Zentrums für Biodiversität und Nachhaltige Landnutzung
In der Reihe Agrardebatten fand am 8. Januar ein Gespräch über Pflanzenschutz und Biodiversität statt. In einer Ausgabe der „Agrarzeitung“ wurde daraufhin Dr. Horst-Henning Steinmann vom Zentrum für Biodiversität und nachhaltige Landnutzung folgendermaßen zitiert: „Biodiversität muss Spaß machen!“ Damit verbunden war ein Appell an Landwirte, sich mehr für die Verbesserung der Vielfalt einzusetzen. Im Nachgang erreichte Herrn Steinmann ein Brief eines Landwirtes, in dem die Mühen und Schwierigkeiten mit Behörden und Auflagen geschildert wurden, die den Spaß an der Biodiversität verderben. Mit dem folgenden Schreiben hat Herr Steinmann dem Briefschreiber geantwortet:
Sehr geehrter Herr [Name hier ausgeblendet],
vielen Dank für Ihre Anmerkungen. Sie haben über Erfahrungen mit Blühmischungen und Zwischenfrüchten berichtet. Die Behörden beharren auf zu strikten und praxisfernen Vorgaben und behindern dadurch ackerbaulich sinnvolle Tätigkeiten. Genau das ist es, was keinen Spaß macht, sagen Sie. Diesen Verdruss, den Sie schildern, kenne ich aus vielen Gesprächen. Mit meiner Aussage zum Spaßfaktor bei der Biodiversität möchte ich aber genau dazu zum Nachdenken anregen.
Die Aussage „Biodiversität muss Spaß machen“ hat im Grunde zwei Bedeutungen. Zum einen geht es darum, dass Blühflächen, Krautstreifen, Lerchenfenster und alle diese Dinge nur richtig gut werden, wenn die Landwirte wirklich Spaß daran haben. Wird hier lediglich Dienst nach Vorschrift gemacht, kommt auch nicht das Beste dabei heraus. Das wäre in der regulären Pflanzenproduktion im Ackerbau auch nicht anders. Wir haben die geringe Begeisterung für Biodiversität vielfach beim sogenannten „Greening“ gesehen. Es musste halt irgendetwas aus dem Maßnahmenkatalog der ökologischen Vorrangflächen abgearbeitet werden, um auf den gewichteten Flächenanteil von 5 % zu kommen. Dementsprechend ernüchternd war auch das Ergebnis. Am Ende war niemand damit zufrieden – die Naturfreunde nicht und die Landwirte aber auch nicht. Mein Appell ist daher, dass Landwirte sich dem Thema Biodiversität mehr zuwenden als bisher; sich informieren und sich auf Maßnahmen einlassen. Noch mehr auf den Punkt gebracht: Etwas weniger Pflanzenschutzmittel auswendig lernen (davon ist der Kopf ohnehin schon voll genug) und etwas mehr in agrarökologische Zusammenhänge eintauchen. Erst wenn ich verstehe, um was es geht und die Hintergründe besser kenne, kann ich auch die Biodiversitätsmaßnahmen gut umsetzen. Und nebenbei hilft das agrarökologische Wissen auch dabei, die Nebenwirkungen der Bodenbearbeitung und des Pflanzenschutzes auf Nützlinge oder die Entwicklung von Resistenzen besser zu verstehen.
Der zweite Punkt ist aber auch wichtig. Hier muss meine Behauptung „Biodiversität muss Spaß machen“ eigentlich erweitert werden in:
„Biodiversität muss auch Spaß machen dürfen“.
Es kann nicht sein, dass das vielfach vorhandene Engagement durch komplizierte und schwer durchschaubare Vorschriften ausgebremst wird. Die Regelwerke zu Agrarumweltprogrammen und ökologischen Vorrangflächen sind extrem überfrachtet mit Ge- und Verboten sowie Terminen, Abmessungen und Größenordnungen, die unbedingt einzuhalten sind. Das Sanktionsrisiko ist groß und bei Zweifelsfällen hat niemand den Mut zu sagen: „Passt schon, das machen wir jetzt mal so.“ Es erfolgt stets der Rückzug ins Bürokratische. Das ist ärgerlich und macht keinen Spaß.
Der Fairness halber müssen wir aber auch sehen, dass manche Landwirte in der Vergangenheit sehr locker mit dem Thema Biodiversität umgegangen sind. Wer Geld für einen Blühstreifen erhält, kann doch nicht einfach spontan eine Rübenmiete draufpacken, weil es von der Logistik gerade passt. Da brauchen wir auch mal klare Regeln. Viele dieser Regeln sind genau deshalb entstanden, um eine allzu pfiffige Auslegung der Fördermaßnahmen zu verhindern. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass für die Fördermaßnahmen Geld bezahlt wird. Wie bei jedem anderen Vertrag muss auch in diesem Fall die Leistung bzw. die Lieferung beschrieben werden. Ganz ohne Regeln geht es also nicht.
Wie kommen wir aus dem Dilemma heraus?
Ich glaube, dass wir an mehreren Stellen ansetzen müssen. Zunächst einmal sollten die offensichtlich untauglichen Regeln abgeschafft werden. Dazu gehört z.B. die Sanktionierung bei Überschreitung der gemeldeten Fläche. Das versteht wirklich niemand. Dann wird es aber schon schwieriger. Dort, wo bestimmte anspruchsvolle Organismen gefördert werden sollen, müssen die Rahmenbedingungen anders abgesteckt werden als da, wo es lediglich um krautige Streifen geht. Gerade im letzteren Fall können die Vorgaben sehr abgespeckt werden. Für Sie als Landwirt muss dann aber auch klar sein, das Kraut für eine gewisse Zeit zu tolerieren. Erstens, weil auch Krautstreifen eine ökologische Funktion haben können, auch wenn sie ackerbaulich nicht so hübsch aussehen mögen wie eine in Reih und Glied stehende Blühfläche. Zweitens, weil die Wirkung der Maßnahme etwas Zeit benötigt. Wenn Sie beim Erscheinen der Unkräuter dem Streifen sofort mit Geräten zu Leibe rücken, dann haben vielleicht auch Sie etwas missverstanden.
Akkurater Ackerbau ist das Eine. Vielfältiger Lebensraum ist das Andere.
Die Förderprogramme sollen dazu dienen, Vielfalt in die Landschaft zu bringen. Da kann nicht immer alles ackerbaulich tipptopp aussehen. Etwas Unordnung gehört auch dazu.
Wie bekommen wir es nun hin, dass Biodiversität mehr Spaß machen darf? Oft wird ja beklagt, dass die Vorgaben am grünen Tisch von Theoretikern geplant werden, die keine Ahnung von der Praxis hätten. Dann wieder ist von anderen Landwirten zu hören, dass sie zunächst einmal auf einen Plan warten, der ihnen genau sagt, was von ihnen für die Förderung der Biodiversität verlangt würde. Dann würden sie genau dies abarbeiten und wollen ansonsten in Ruhe gelassen werden. Da ist also auch viel Uneinigkeit im Sektor.
Ich stelle mir vor, dass Landwirte mit mehr Eigenverantwortung eingebunden werden sollen. Das Warten auf den umfassenden vorgegebenen „Plan“ halte ich für ungeeignet. Für Landwirte sollte die Möglichkeit bestehen selber auszuprobieren, welche Maßnahmen auf ihren Flächen die besten für die Förderung der Vielfalt sind. Denkbar wäre zum Beispiel, dass Landwirte selber eine Art Entwicklungsplan entwerfen, der, versehen mit Eckpunkten und Zielen, als Grundlage für Prämienzahlungen dient. Wer mag, kann sich dabei von Experten und Expertinnen beraten oder von bereits existierenden Leitfäden inspirieren lassen. Es muss natürlich ernst gemeint sein und am Ende konkret geliefert werden, aber es gäbe auch Freiraum zum Austüfteln. Im Gegenzug würde eine geringere Strenge bei der Detailkontrolle angesetzt. Die Prämien würden etwas niedriger ausfallen als bei den strengeren Umweltprogrammen. Die Höhe müsste im Einzelfall variieren. Wenn wir das auf x % der Fläche ausprobieren würden, könnten wir eine Art „kreatives Greening“ hinbekommen.
Landwirte sagen ja oft, dass sie am besten wüssten, was auf ihren Flächen zu tun sei. Mit einer solchen Herangehensweise könnten sie das beweisen und honorieren lassen. Lediglich für sehr anspruchsvolle Aufgaben und Organismengruppen würden weiterhin durch die Behörden konkret geplante Kataloge angeboten. Vielleicht gelingt es ja sogar, mit der Eigeninitiative vieler Landwirte die Maßnahmenkataloge weiterzuentwickeln und zu verbessern. Ich wünsche mir, dass in der neuen EU-Agrarförderperiode solche Verbesserungen auf den Weg gebracht werden.
Mir ist sehr klar, dass Sie und viele Ihrer Kollegen und Kolleginnen auch noch andere Sorgen haben. Aber ich glaube, dass wir uns mehr als bisher um die Verbesserung der Vielfalt in den uns anvertrauten Agrarlandschaften kümmern müssen. Da ist es sehr hilfreich, wenn das auch Spaß machen darf.
Mit freundlichen Grüßen und den besten Wünschen für eine erfolgreiche Saison
Horst Steinmann