”Es wird höchste Zeit, das Bewusstsein für das Schutzgut Boden in der Gesellschaft zu stärken und auch rechtliche Rahmenbedingungen an aktuelle Ziele anzupassen.
Ilka EngellWissenschaftliche Geschäftsführerin der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft (DBG)
Täglich werden 54 Hektar in Deutschland (Durchschnitt: 2017 bis 2020) in Siedlungs- oder Verkehrsfläche umgewandelt und gehen somit für die Erzeugung von Nahrung, Futtermitteln oder den Anbau pflanzlicher Rohstoffe verloren. Lange Zeit waren es sogar 120 Hektar pro Tag (Durschnitt 1993 bis 2003). Im Rahmen der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 die Neuinanspruchnahme von Flächen für Siedlungen und Verkehr weiter zu verringern (auf weniger als 30 Hektar pro Tag). Flächenversiegelung führt dazu, dass der Boden seine natürlichen Funktionen, wie z.B. Kühlfunktion durch Wasserverdunstung, nicht mehr erfüllen kann. Die natürliche Fruchtbarkeit des Standortes geht verloren, denn sowohl Pflanze als auch Bodenfauna kann in einem von Luft und Wasser abgeschlossenen System nicht überstehen. Vor allem Agrarflächen werden in großem Umfang in Siedlungsfläche umgewandelt.
Nicht ohne Grund ist daher der Ackerboden Boden des Jahres. Der Boden des Jahres wird jährlich vom Kuratorium, bestehend aus DBG (Deutsche Bodenkundliche Gesellschaft), BVB (Bundesverband Boden) und ITVA (Ingenieurtechnischer Verband für Altlastenmanagement und Flächenrecycling) gewählt. Etwa 70 Prozent der Fläche, die in Deutschland landwirtschaftlich genutzt wird, ist Ackerland. Ackerböden sind nicht besonders geschützt – im Gegensatz zu Wäldern oder besonderen Biotopen wie bspw. Moore . Die Vielfalt von Ackerböden ist groß. Die bodenkundlichen Eigenschaften hängen stark von den Standortbedingungen, wie Ausgangsgestein, Klima oder Relief sowie ihrer Nutzungsgeschichte ab. Unter den Begriff Ackerboden fallen alle Böden, die „unter den Pflug genommen“ wurden. Merkmal eines Ackerbodens ist vor allem die Krume, der 20 bis 30 Zentimeter mächtige Oberboden, der durch regelmäßige Lockerung und Durchmischung entsteht. Dieser „Pflughorizont“ ist humushaltig und optisch klar abgrenzbar vom darunter liegenden Unterboden.
Am internationalen Weltbodentag (05. Dezember) wurde der Ackerboden im Bundesministerium für Bildung und Forschung in Berlin vom BonaRes-Zentrum für Bodenforschung vorgestellt: Erzeugung von pflanzlichen Rohstoffen, Trinkwasserproduzent, Kohlenstoffspeicher und Habitat zahlreicher Bodentiere sowie Mikroorganismen, die für einen funktionierenden Stoffkreislauf im Boden verantwortlich sind. Während der Laudatio (T. Weyer, FH Soest) wurde die Vielfalt und Lebendigkeit eines „gesunden“ Ackerbodens, der lebenswichtige Funktionen und Leistungen für den Menschen erbringt, präsentiert. „Ohne doppelten Boden: Wie Bodenschutz die Zukunft sichert“ lautete das Motto der darauf folgenden Fachtagung der Kommission Bodenschutz beim Umweltbundesamt in Berlin. Derzeit wächst sowohl in Landwirtschaft, Politik als auch in der Gesellschaft das Bewusstsein, dass Ackerböden besser geschützt werden müssen. Im Fokus steht dabei, dass Ackerböden gesund und leistungsfähig bleiben, bedarfs- und standortgerecht genutzt werden und ihre Funktionen für Mensch und Umwelt in Zukunft in vollem Umfang erfüllen können. Im nationalen Bodenschutzrecht steht allerdings immer noch die Nachsorge-Altlastenproblematiken- sowie die Gefahrenabwehr im Vordergrund. Daher ist es ein großes Anliegen der Umweltministerkonferenz (2021), unter Zusammenarbeit von Bund und Ländern, das Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG) zu prüfen und die bodenschutzrechtliche Vorsorge weiter zu stärken. Dies ist auch als Ziel des Koalitionsvertrages der Bundesregierung verankert. Dabei steht die Evaluierung des Bundesbodenschutzrechtes unter Berücksichtigung der Herausforderungen des Klimaschutzes, der Klimaanpassung und den Erhalt der Biodiversität an erster Stelle. Die Novellierung des nationalen Bodenschutzrechtes ist demnach der nächste Schritt.
Gleichzeitig bewegt sich auch die internationale Ebene: Im November 2021 wurde die EU-Bodenstrategie für das Jahr 2030 vorgelegt. Darin wird angestrebt, dass sich bis zum Jahr 2050 alle Bodenökosysteme in einem gesunden Zustand befinden sollen (d.h. biologisch, chemisch und physikalisch) und somit die Bodenfunktionen und Ökosystemleistungen erfüllen können. Grundstein der EU-Bodenstrategie ist dabei der für das Jahr 2023 geplante Legislativvorschlag zur Bodengesundheit: Das Bodengesundheitsgesetz „Soil Health Law“. Als ein Teil dieser Strategie wird u.a. ein Überwachungsprogramm für Bodengesundheit und Flächeninanspruchnahme auf europäischer Ebene eingerichtet, um bodenkundliche Daten auszutauschen, den Zustand der Böden zu erheben und zu definieren. Das „Soil Health Law“ wird bereits im zweiten Quartal des Jahres 2023 erwartet.
Es wird höchste Zeit, das Bewusstsein für das Schutzgut Boden in der Gesellschaft zu stärken und auch rechtliche Rahmenbedingungen an aktuelle Ziele anzupassen. Der politische Fokus auf den Bodenschutz ist unabdingbar, denn der Boden beeinflusst nahezu alle lebenswichtigen Bereiche – nicht nur Lebensmittelproduktion, sondern vor allem Wasser, Luft und Klima. Gleichzeitig sind die Gründe für Flächeninanspruchnahme multifaktoriell und werden u.a. auch durch gesellschaftliche Prozesse beeinflusst. Bodenschutz ist daher sehr komplex und muss in allen Bereichen, vor allem aber in Politik, Recht und Wirtschaft Beachtung finden, damit die gesteckten Ziele umsetzbar sind.
Weiterführende Links für Interessierte
Boden des Jahres 2023 (https://boden-des-jahres.de/).
Boden des Jahres – Weltbodentag in Berlin: https://www.youtube.com/watch?v=2sLNZ2G8wwU, https://www.youtube.com/watch?v=iGMefa4HFWE
Fachtagung Umweltbundesamt: https://www.umweltbundesamt.de/tagung-ohne-doppelten-boden-wie-bodenschutz-die
DBG (Deutsche Bodenkundliche Gesellschaft, https://www.dbges.de/de)
BVB (Bundesverband Boden, https://www.bvboden.de/)
ITVA (Ingenieurtechnischer Verband für Altlastenmanagement und Flächenrecycling, https://www.itv-altlasten.de/)