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– ein Beitrag von Prof. Dr. Matin Qaim des Departments für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung der Uni Göttingen

Bei Gentechnik in der Landwirtschaft denken viele zunächst an große Konzerne wie Bayer oder Monsanto und riesige Sojafarmen in den USA oder Brasilien. Aber die Gentechnik kann auch ganz andere Seiten haben, vor allem dann, wenn sie von öffentlichen Forschungseinrichtungen vorangetrieben wird. In einem neuen Fachartikel erklären wir, dass die Technologie große Potentiale hat, die Ernährung armer Bevölkerungsgruppen in Afrika und Asien zu verbessern.


Über zwei Milliarden Menschen weltweit leiden an Mikronährstoffmangel durch unzureichende Aufnahme von Vitaminen und Mineralstoffen. Arme Bevölkerungsgruppen in den Entwicklungsländern sind besonders betroffen, weil sie sich häufig überwiegend von Grundnahrungsmitteln ernähren, die zwar viele Kalorien, aber nur wenig Mikronährstoffe enthalten. In dem neuen Artikel, der kürzlich in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht wurde, zeigen wir, dass die Gentechnik dabei helfen kann, genau diesen Mikronährstoffmangel nachhaltig zu bekämpfen. Der Artikel ist im Rahmen eines internationalen Teams entstanden, an dem neben Kolleginnen und Kollegen aus Europa auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Nord- und Südamerika, Afrika und Asien beteiligt sind.

Mikronährstoffmangel führt oft zu schwerwiegenden Gesundheitsproblemen. Defizite an Vitamin A und Zink gehören zum Beispiel zu den wichtigsten Risikofaktoren für Kindersterblichkeit, während eine Unterversorgung mit Eisen und Folsäure Anämie sowie körperliche und geistige Entwicklungsstörungen nach sich ziehen kann. Oft wissen die betroffenen Menschen nicht, dass die Gesundheitsprobleme auf Mikronährstoffmangel zurückzuführen sind, weswegen teilweise auch von „verstecktem Hunger“ gesprochen wird. Langfristiges Ziel muss es sein, dass alle Menschen über ein ausreichendes Wissen und genügend Einkommen verfügen, um sich ganzjährig ausgewogen ernähren zu können. Kurz- und mittelfristig sind jedoch auch gezieltere Maßnahmen erforderlich.

Eine Maßnahme ist die so genannte Biofortifikation, also die Züchtung von Grundnahrungsmittelpflanzen auf höhere Mikronährstoffgehalte, die Kleinbauern dann selbst anpflanzen und weitervermehren können. In den vergangenen 20 Jahren haben internationale Agrarforschungszentren – wie CIP, CIMMYTIRRI und CIAT – verschiedene biofortifizierte Pflanzen mit konventionellen Züchtungsmethoden entwickelt, unter anderem Mais und Süßkartoffeln mit Vitamin A oder Reis und Weizen mit höherem Zinkgehalt. Diese Pflanzen werden inzwischen in zahlreichen Entwicklungsländern angebaut, mit nachgewiesenen Vorteilen für Ernährung und Gesundheit. Allerdings haben konventionelle Züchtungsmethoden gewisse Grenzen.

Kleinbäuerliche Haushalte produzieren die meisten Grundnahrungsmittel selbst. Hier Mais in Malawi. Quelle: S. Koppmair.

Im neuen Artikel erläutern wir, wie die Gentechnik dabei helfen kann, Effektivität und Nutzen biofortifizierter Pflanzen noch weiter zu steigern. Mit gentechnischen Ansätzen – wie dem so genannten Metabolic Engineering – können deutlich höhere Mikronährstoffgehalte in den Pflanzen erreicht werden als mit konventionellen Züchtungsmethoden allein. Meine Kollegin Dominique Van Der Straeten von der Universität Gent, die Erstautorin des neuen Artikels ist, hat mit ihrer Arbeitsgruppe z.B. Reis und Kartoffeln mit hohem Folsäuregehalt entwickelt. Außerdem ist es gelungen, die Vitaminverluste nach der Ernte erheblich zu senken. Das ist ein großer Vorteil, denn gerade bei warmen Witterungsverhältnissen in den Tropen können Vitaminverluste bei der Lagerung sehr erheblich sein.

Ähnliche Erfolge sind am IRRI und der ETH Zürich für Vitamin A (Betakarotin) in Reis gelungen. Konventioneller Reis enthält sehr geringe Mengen an Betakarotin in den äußeren Hüllschichten, aber nicht im Korn selbst, so dass die klassische Kreuzungszüchtung hier nicht zum Erfolg führte. Mithilfe der Gentechnik ist es gelungen, erhebliche Mengen an Betakarotin im Korn stabil und für den menschlichen Körper bioverfügbar einzulagern.

Ein weiterer Vorteil der Gentechnik ist, dass hohe Gehalte verschiedener Mikronährstoffe in der gleichen Pflanzensorte miteinander kombiniert werden können. Das ist wichtig, weil arme Menschen häufig unter verschiedenen Nährstoffdefiziten gleichzeitig leiden. Mit konventionellen Methoden allein ist eine solche Kombination verschiedener Mikronährstoffe deutlich schwieriger und langwieriger.

Die Gentechnik erleichtert es zudem, hohe Mikronährstoffgehalte in der Pflanze mit hohen Erträgen ebenso wie mit neuen agronomisch relevanten Eigenschaften zu kombinieren, wie etwa Dürre- oder Schädlingstoleranz, die vor dem Hintergrund des Klimawandels immer wichtiger werden. In der konventionellen Züchtung sind hohe Erträge oft mit niedrigeren Nährstoffgehalten in der Pflanze korreliert, aber genau diese ungewollte Negativkorrelation kann mithilfe der Gentechnik überwunden werden.

Bauern sollten sich nicht entscheiden müssen, ob sie Sorten anbauen, die entweder nährstoffreich sind oder hohe und stabile Erträge liefern.

Beide Aspekte in den gleichen Sorten zu kombinieren ist wichtig und kann mit zu einer weiten Verbreitung gerade im Kleinbauernsektor beitragen.

Die Möglichkeit, das Saatgut selbst weiter zu vermehren, wird durch die gentechnischen Veränderungen übrigens nicht eingeschränkt. So können die einmal entwickelten Sorten über viele Jahre hinweg ohne zusätzliche Kosten von den Bäuerinnen und Bauern angebaut und auch über informelle Märkte weiterverbreitet werden, was diesen Ansatz zur Bekämpfung des versteckten Hungers besonders nachhaltig macht.

Natürlich ist uns bewusst, dass viele Menschen Gentechnik mit Skepsis betrachten, obwohl die so entwickelten Pflanzen nachgewiesenermaßen sicher für Umwelt und menschliche Gesundheit sind. Einer der Gründe für die ablehnende Haltung ist aber auch der, dass Gentechnik häufig mit großen Agrarkonzernen assoziiert wird. Biofortifizierte Pflanzen könnten dabei helfen, die Akzeptanz zu steigern, weil diese Pflanzen speziell zum Wohle armer Bevölkerungsgruppen entwickelt werden. Hierfür sind öffentliche Finanzierung und Unterstützung besonders wichtig.


Originalveröffentlichung (Open Access): Van Der Straeten, D., et al. (2020). Multiplying the efficiency and impact of biofortification through metabolic engineering. Nature Communicationshttps://doi.org/10.1038/s41467-020-19020-4.

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