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– ein Beitrag von Elisa Bayer, Abteilung Marketing für Lebensmittel & Agrarprodukte, Universität Göttingen und Dr. Marie von Meyer-Höfer, Institut für Marktanalyse, Thünen-Institut

Viel Platz, Auslauf ins Grüne, ökologisches Futter und kleine überschaubare Herden, das sind wohl gängige Bilder, die aufkommen, wenn Verbraucher*innen an die ökologische Geflügelhaltung denken. Doch wie realistisch sind diese Vorstellungen? Wie sieht es in der ökologischen Geflügelhaltung mit der Tiergesundheit und dem Ressourcenverbrauch aus? Und werden ökologisch gehaltene Tiere anders transportiert und geschlachtet als ihre konventionell gehaltenen Artgenossen?

Mittels einer Hot Spot Analyse haben wir diese Fragen genauer untersucht. Diese Methodik hat zum Ziel Nachhaltigkeitsschwachstellen eines Produktes entlang dessen gesamten Produktionsprozesses mit Hilfe einer Literaturrecherche und von Expertengesprächen zu untersuchen. Zur Analyse wurde die ökologische Geflügelhaltung in die „Lebensphasen“ Zucht, Haltung, Fütterung, Tiergesundheit, Transport und Schlachtung eingeteilt und jede Lebensphase mit Blick auf ökologische, soziale und Tierschutz-Kriterien untersucht. Die Hot Spot Analyse bezieht sich dabei auf die Richtlinien der EU-Ökoverordnung, welche den Mindeststandard für eine ökologische Geflügelhaltung definiert. Die identifizierten Hot Spots sind in folgender Tabelle aufgeführt.

* Bereiche, die beispielsweise aufgrund der niedrigen Bewertung der Lebensphase keinen Hot Spot darstellen, jedoch durchaus als umweltrelevante Problembereiche wahrzunehmen sind.
** Am 1. Januar 2021 trat das Arbeitsschutzkontrollgesetz in Kraft, welches Werkverträge bei der Schlachtung und Zerlegung in der Fleischindustrie verbietet.

Die Zusammenfassung der Hot Spots in der Tabelle zeigt, dass insbesondere die Lebensphasen Zucht und Schlachtung eine Reihe von Problembereichen aufweisen. Auch in den Lebensphasen Tiergesundheit und Transport bestehen mehrere Schwachstellen. Dahingegen weisen die Lebensphasen Haltung und Fütterung keine oder nur einzelne Hot Spots auf. Nichtsdestotrotz bestehen auch in diesen Bereichen ökologische Defizite beispielsweise aufgrund der geringeren Ressourceneffizienz (längere Mastdauer, geringere Erträge) oder Nitratauswaschungen im Hühnerauslauf sowie Herausforderungen im Tierschutz (z. B. Infektionsrisiko und Beutegreifer im Auslauf).

Festzustellen ist, dass Problembereiche vor allem in den vor- und nachgelagerten Bereichen (Zucht, Transport und Schlachtung) zu finden sind. Hier gelingt es dem Ökolandbau nicht, sich ausreichend stark von den konventionellen Gegebenheiten abzugrenzen und damit eine glaubwürdige und nachvollziehbare Differenzierung zu schaffen. Was bei Verbraucher*innen leicht zu enttäuschten Erwartungen führen kann. Auch in der ökologischen Geflügelhaltung wird derzeit vor allem bei Legehennen weitestgehend auf die konventionellen Hybridherkünfte zurückgegriffen, wodurch die Problematik des Kükentötens auch im Ökolandbau gegeben ist.

In den Bereichen Transport und Schlachtung gibt die Ökoverordnung keine speziellen Standards vor, weshalb hier die gleichen Regelungen und damit oftmals auch dieselben Probleme im Arbeits- und Tierschutz gegeben sind wie im konventionellen Bereich.

Obwohl die ökologische Tierhaltung aufgrund ihrer höheren Haltungsstandards eine besonders tiergerechte Haltungsform darstellt, bestehen auch hier einige Schwachstellen sowohl im Umwelt- als auch im Tierschutzbereich. Mögliche Vertrauensrisiken der ökologischen Geflügelhaltung können vor allem die fehlenden Regelungen in den Bereichen Transport und Schlachtung verursachen. Aus den anderen Lebensphasen können einzelne Aspekte wie das Töten der männlichen Legehühner, die Tiergesundheit, Futtermittelimporte oder die teils großen Tierbestände auf einigen Betrieben als Risikopunkte für enttäuschte Erwartungen bei Verbraucher*innen betrachtet werden.

Die ökologische Landwirtschaft sollte sich daher nicht auf ihrem guten Image und dem Vertrauen der Verbraucher*innen ausruhen, sondern vielmehr die bestehenden Problembereiche aktiv angehen. Auch in Anbetracht zukünftiger Herausforderungen und Veränderungen in der Landwirtschaft wie Klimawandel, Ernährungssicherheit und Nutztierhaltungstransformation muss sich die ökologische Tierhaltung ihren Problembereichen stellen. Bestehende Erwartungs- und Realitätslücken sowie Zielkonflikte sollten angegangen und geschlossen werden (Neubewertungen, Kompromisse, alternative Wege).

Die Hot Spot Analyse fokussiert sich stark auf die kritischen Punkte, um möglichst viele der bestehenden Problembereiche identifizieren zu können. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass hier lediglich ein sehr allgemeines Bild der ökologischen Geflügelhaltung gezeichnet wird.

Nicht alle Problembereiche bestehen auf jedem ökologischen Betrieb im selben Maße und für manche existieren sie auch gar nicht.

Viele Betriebe bemühen sich die bestehenden strukturellen Probleme, wie sie in der Zucht, beim Transport oder bei der Schlachtung gegeben sind, mit eigenen, betriebsindividuellen Lösungsansätzen und Initiativen zu umgehen und zu verbessern. Die Betriebsführung und das Management spielen in vielen Bereichen eine ausschlaggebende Rolle.

Auch bestehen in der ökologischen Geflügelhaltung eine Reihe von positiven Aspekten. Diese betreffen insbesondere die im Vergleich zu gesetzlichen Vorgaben hohen Haltungsstandards. Diese ermöglichen es den Tieren ihre Verhaltensweisen in einem gewissen Maße auszuleben und tragen damit zum Wohlbefinden der Tiere bei. Zudem kann in der ökologischen Tierhaltung oftmals ein gleiches Gesundheitsniveau wie in der konventionellen Tierhaltung mit einem deutlichen geringeren Einsatz von Medikament erreicht werden. Wobei gesagt werden muss, dass das Gesundheitsniveau im Allgemeinen weder auf konventionellen noch auf ökologischen Betrieben als zufriedenstellend betrachtet werden kann.

Das im Ökolandbau bestehende Prinzip des Kreislaufgedankens, wodurch der Tierbesatz an die Fläche gekoppelt ist, und die Vorgaben zur ökologischen Wirtschaftsweise bei der Futtermittelproduktion wirken sich positiv auf viele ökologische Kriterien wie Boden- und Wasseremissionen oder die Biodiversität aus. Und nicht zuletzt entstanden in den letzten Jahren mit der Ökologischen Tierzucht GmbH und der Entwicklung alternativer Schlachtmethoden wie Schlachtmobilen und dem Weideschuss Ansätze, um bestehende strukturelle Problematiken zu umgehen. Auch wenn diese derzeit noch ein Nischendasein führen, zeigt es doch, dass Engagement und Wille vorhanden sind, die bestehenden Problembereiche aktiv anzugehen.

Eine für die Zukunft besonders bedeutende Herausforderung des Ökolandbaus stellt die geringere Ressourceneffizienz in der Tierhaltung dar, die zu einer schlechteren Bewertung beim Carbon Footprint führt. Wobei man sich auch fragen kann, ob man die derzeitige Form der konventionellen Tierhaltung mit dem Ziel einer möglichst effizienten Produktion von tierischen Nahrungsmitteln auf Kosten von Tierschutz und Umweltproblemen wie Überdüngung als eine nachhaltige Alternative betrachten will.

Ein Ansatz zur Verbesserung liegt in der Züchtung und dort in Versuchen, durch funktionale Züchtung genetische Merkmale zu fördern, die Klima- und Tierschutz gleichermaßen verbessern.

Um auf die Ausgangsfrage „Ist bei Bio alles besser?“ zurückzukommen, kann gesagt werden, dass es in der Bio-Tierhaltung viele gute Prinzipien und Ansätze gibt, besser ist jedoch längst nicht alles!


Die vollständige Version der Hot Spot Analyse kann unter folgendem Link bei Organic eprints aufgerufen werden: https://orgprints.org/id/eprint/37289/

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