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Prof. Dr. Teja Tscharntke im Interview mit der Niedersächsischen Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Diese ist eine außeruniversitäre, öffentlich-rechtliche Forschungseinrichtung, und zwar die größte auf dem Gebiet der geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Grundlagenforschung in ganz Norddeutschland. Finanziert vom Land Niedersachsen, wirkt sie weit über dessen Grenzen hinaus. Hier geht es zur Website: https://adw-goe.de/startseite/

In der Tat kaufe ich nicht nur zertifizierte Öko-Lebensmittel, achte aber schon auf überzeugende Labels wie Fairtrade oder die WWF-Empfehlungen.

Prof. Dr. Teja TscharntkeProfessor für Agrarökologie, Department für Nutzpflanzenwissenschaften, Uni Göttingen

Teja Tscharntke ist Professor für Agrarökologie und hat auf der Veranstaltung zum Thema „Artensterben“ der Niedersächsischen Akademie der Wissenschaften zu Göttingen einen Vortrag gehalten. Im Anschluss daran spricht er nun auch in einem Interview über Ökolandbau, Lebensmittelsicherheit und gesunde Ernährung.

Sie scheinen nicht zu den Verbrauchern zu gehören, die nur Bioware kaufen, oder täusche ich mich? Worauf achten Sie beim Einkauf?

In der Tat kaufe ich nicht nur zertifizierte Öko-Lebensmittel, achte aber schon auf überzeugende Labels wie Fairtrade oder die WWF-Empfehlungen. Ich denke auch nicht, dass die Beschränkung auf Öko-Lebensmittel wichtig für eine gesunde Ernährung ist. Mit dieser Meinung schließe ich mich Aussagen des Umweltbundesamtes wie auch des Öko-Landbau-Experten Urs Niggli an. Für unsere Gesundheit wichtig ist die richtige Diät, wozu eine Gemüse- und Obst-reiche Nahrung, wenig Salz und Zucker, eine Halbierung unseres Fleischkonsums zugunsten von Eiweißpflanzen wie zum Beispiel Bohnen und Linsen und viel Bewegung bzw. Sport gehören.

Sie weisen darauf hin, dass auch im Ökolandbau Pestizide verwendet werden, z.B. Kupfer. Was ist an diesen bedenklich? Für die Böden und für uns Endverbraucher?

Im Öko-Landbau werden Kupfermittel regelmäßig gegen Pflanzenkrankheiten, vor allem gegen Falschen Mehltau, eingesetzt, insbesondere bei Obst, Gemüse, Wein und Kartoffeln. Kupfermittel kommen auch in der konventionellen Landwirtschaft zur Anwendung. Kupfer ist ein Schwermetall, reichert sich im Boden an und schädigt zahlreiche Bodenorganismen, darunter auch Regenwürmer. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit stuft Kupfermittel als gefährlich für die menschliche Gesundheit ein, aber die zulässige tägliche Aufnahmemenge wird mit den genehmigten Aufwandmengen für Kupfermittel nicht überschritten.

Sind konventionell angebaute Lebensmittel womöglich gesünder? Oder muss man bei diesen damit rechnen, Glyphosat aufzunehmen, was nach wie vor nicht verboten ist und sicherlich auch in den Böden gespeichert wird?

Wie gesagt, ökologisch und konventionell angebaute Lebensmittel sind gleichermaßen gesund. Entscheidend ist die richtige Diät, wie sie zum Beispiel die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt. Glyphosat tötet nicht nur alle Pflanzen auf dem Acker, inklusive der von ihnen abhängigen Insekten, sondern auch Boden-Mikroorganismen und Amphibien. Dass Unkrautvernichter wie Glyphosat im Öko-Landbau nicht eingesetzt werden, ist ein Gewinn für die Artenvielfalt.
In puncto Gesundheit wird Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Allerdings liegen bei uns die Konzentrationen von Glyphosat und seinen Abbauprodukten im Oberflächen- und Grundwasserwasser sowie in der Nahrung weit unter den Grenzwerten für eine Gesundheitsgefährdung.

Sie sind der Ansicht, dass es in Deutschland eine hohe Lebensmittelsicherheit gebe. Wie wird denn kontrolliert und was bringt Sie zu dieser Einsicht?

In der EU und in Deutschland gibt es ein Netz von Kontrollen auf allen Ebenen, vom Acker bis zum Teller, um die Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten. Auch wenn immer wieder Lebensmittelskandale zu beklagen sind, so haben wir bei uns einen in der Geschichte noch nie dagewesenen Schutz der Verbraucher vor gesundheitlichen Gefahren. Allerdings suggeriert die wachsende Genauigkeit bei chemischen Analysen, dass Lebensmittel durch diverse Rückstände belastet sind – auch wenn deren Konzentrationen nur knapp über der Nachweisgrenze liegen und eine Belastung für den Menschen nicht gezeigt werden kann. Folglich ist die gefühlte Lebensmittelsicherheit oft weit entfernt von der realen. Allerdings bleibt angesichts der Verschmutzung unserer Umwelt durch hunderte, vom Menschen erzeugter Chemikalien ein ungutes Gefühl, da insbesondere über additive oder gar synergistische Effekte bei diesem Chemikalien-Mix wenig bekannt ist.

Wie kann es sein, dass der Ökolandbau in Spanien zu riesigen Monokulturen führt und dort auch auf Feldern, die mit Plastik überzogen sind, Ökolandbau betrieben wird. Gibt es keine einheitlichen Vorgaben und Kontrollen in den EU-Ländern?

Die EU-Zertifizierung des Öko-Landbaus setzt im Wesentlichen auf das Verbot synthetischer Dünger, synthetischer Pestizide und von genmanipulierten Organismen. Der Biodiversitätsschutz ist kein verbindlich verankertes Ziel, so dass auch auf großen Monokulturen produziert werden kann. Ebenso ist der Anbau unter Glas oder Plastik kein Problem für den Öko-Landbau. In Andalusien sind sogar ganze Landschaften mit Plastik bedeckt, um in diesem wasserarmen und sonnenreichen Klima Gemüse anbauen zu können. Der Anteil Öko-zertifizierter Ware ist dort auf rund 15% gewachsen. So ein Anbau unter Plastik steht nicht im Widerspruch zu den EU-Öko-Regeln.

Wie können wir dem wachsenden Bedarf an Lebensmitteln nachkommen? Sollte die Gentechnik eine größere Rolle spielen?

Weltweit werden genug pflanzliche Kalorien produziert, um die Menschheit zu ernähren. Allerdings wird bei uns ein Drittel der Lebensmittel verschwendet, bzw. verdirbt im Globalen Süden durch mangelhafte Lagerung. Ein weiteres Drittel der pflanzlichen Kalorien wird durch die Tierproduktion verschwendet – insbesondere bei Rindfleisch, das mit Getreide und anderen Futtermitteln, beispielsweise Soja, produziert wird. Insofern sind die Reduzierung der Verschwendung und die Halbierung unseres Fleischverbrauchs, insbesondere von rotem Fleisch, besonders effektive Maßnahmen, um eine ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln zu ermöglichen. Vor allem aber ist der Hunger in der Welt ein Armutsproblem, da Arme sich Lebensmittel schlichtweg nicht leisten können. Insofern kann eine geringe Produktivität beim Anbau und die damit einhergehende Verteuerung der Produktion auch ein großes Problem sein – gerade auch für den Öko-Landbau, bei dem nur halb so viel Getreide pro Hektar geerntet wird wie im konventionellen Anbau.
Die Genschere (CRISPR/Cas) ist ein neues Verfahren, um DNA-Bausteine im Erbgut einfach und präzise zu verändern – dafür bekamen die Erfinderinnen den Chemie-Nobelpreis 2020. Dieses Genome Editing bietet große Chancen für die Pflanzenzüchtung, beispielsweise um die Trockenresistenz wichtiger Nutzpflanzen zu erhöhen. Das Verfahren ist momentan nicht erlaubt, die EU diskutiert aber gerade darüber, das Gentechnik-Gesetz entsprechend zu ändern.

Was halten Sie für die größte Sünde im Ökolandbau?

Ich würde mich freuen, wenn in der gesamten Landwirtschaft, auch im Öko-Landbau, Maßnahmen berücksichtigt würden, die besonders effektiv den Schutz der Biodiversität stärken. Wir erleben seit einiger Zeit ein weltweit dramatisches Artensterben und die Landwirtschaft, die den größten Teil unserer Landfläche prägt, ist dafür maßgeblich verantwortlich. Zu den wichtigsten Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität gehört, eine Landwirtschaft mit kleinen Feldern und einer Vielfalt an Kulturpflanzen zu befördern, da mosaikartige Landschaften ein Vielfaches an Artenvielfalt beherbergen. Zudem braucht es naturnahe Flächen auf mehr als einem Fünftel der Agrarlandschaften, um die Populationen langfristig überlebensfähig zu machen.
Ich bin auch allergisch gegen den esoterisch-ideologischen Hintergrund des Öko-Landbaus. Warum sollen denn natürliche Pestizide, zum Beispiel Pyrethrum oder Kupfermittel, umweltverträglicher sein als synthetische Pestizide? Aus gutem Grund bevorzugen wir ja auch nicht Phytopharmaka gegenüber „künstlichen“ Arzneimitteln. Bei den Anthroposophen von Demeter, die sich auf Rudolf Steiner berufen, spielen astral-mythische Kräfte, die kosmische Strahlung des Bodens und homöopathisch verdünnte Düngemittel eine große Rolle. Solche wissenschaftsfernen Praktiken mit Sternbild- und Monddeutungen sowie mistgefüllten Kuhhörnern, die im Boden vergraben werden, sollte man nicht unterstützen. Davon distanzieren sich auch Verbände wie zum Beispiel Bioland, die zudem seit einiger Zeit in ihren Regeln auch explizit biodiversitätsfördernde Maßnahmen aufgenommen haben.
Nicht zuletzt möchte ich betonen, dass der Öko-Landbau auch für positive Entwicklungen steht. Dazu gehören die Haltungsbedingungen von Nutztieren, die beim Öko-Landbau sehr viel besser sind als bei der oft tierquälerischen Haltung im konventionellen Landbau. Das Tierwohl findet im Öko-Landbau große Beachtung – dafür lohnt es, als Verbraucher mehr Geld auszugeben.

Die Fragen stellte Adrienne Lochte

Kontakt

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