Können lokale Hühnerrassen und regionale Futtermittel überzeugen?
Vor dem Hintergrund sich zunehmend verändernder Verbrauchererwartungen an die Geflügelhaltung hat sich ein Forscherteam der Universität Göttingen und des Friedrich-Loeffler-Instituts in Mariensee mit alternativen Wegen der Nutzung regionaler Hühnerrassen und einheimischer Proteinquellen befasst. Dabei wurde die Eignung der Ackerbohne als Ersatz für Soja in der Fütterung von lokalen Hühnerrassen sowie deren Kreuzungen mit leistungsstarken Legehühnern untersucht.
Die aktuelle Geflügelhaltung ist geprägt von hochspezialisierten Linien, die sich entweder nur für die Eier- oder die Fleischproduktion eignen, da zwischen beidem eine negative genetische Korrelation vorhanden ist. Während sich bei den Broilern beide Geschlechter mästen lassen, werden die männlichen Küken der Legelinien am ersten Lebenstag getötet, da es für sie keine Verwendung gibt. Diese Vorgehensweise soll ab 2022 verboten werden und alternative Lösungen müssen her.
Darüber hinaus ist in der Wirtschaftsgeflügelzucht nur eine sehr begrenzte genetische Diversität vorhanden. Die Zuchtlinien der Weißleger, Braunleger und Broiler basieren nur auf einer geringen Anzahl Ausgangsrassen und werden seit Jahrzehnten in geschlossener Zucht selektiert. Dagegen gibt es in Deutschland und Europa eine große Vielfalt an Rassehühnern und lokalen Rassen, die teilweise in ihrem Bestand bedroht sind. Diese Rassen sind den spezialisierten Linien hinsichtlich Leistung, Ökonomie und Effizienz zwar deutlich unterlegen, bringen aber eine große genetische Diversität mit. Aufgrund ihrer eigenständigen Entwicklung können diese Rassen Merkmale in sich tragen, die sie nicht nur von anderen unterscheiden, sondern die z.B. auch Vorteile bei der Anpassung an sich ändernde Klimabedingungen oder Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten mit sich bringen könnten.
Eine weitere ethische Herausforderung für die Tierhaltung in Deutschland stellen die riesigen Importmengen von Soja aus Übersee dar, um den hohen Bedarf an Eiweißfuttermitteln für die Fleischproduktion zu decken. Der Anbau von Soja geht mit der Abholzung von Regenwald, großen Monokulturen, Nutzung genetisch veränderten Saatguts und einem hohen Herbizideinsatz einher. Auf der anderen Seite wurde der Anbau einheimischer Eiweißpflanzen in den letzten Jahrzehnten immer weniger und damit auch der Aufwand, der in Züchtung und Forschung investiert wurde. Erst in den letzten Jahren sind verschiedene Initiativen ergriffen worden, um den Anbau einheimischer Leguminosen, auch durch Subventionen, wieder attraktiver zu machen. Die Integration von Leguminosen in der Fruchtfolge bringt viele Vorteile mit sich, z.B. die Fixation und Bereitstellung von Stickstoff für die Folgefrucht, was den Bedarf an mineralischen Düngemitteln verringert, die Unterbrechung von Infektionsketten bestimmter Pflanzenkrankheiten oder die Erhöhung der biologischen Diversität.
Wie wird aus diesen Problemen nun ein Projekt?
In einem Verbundprojekt zwischen der Universität Göttingen und dem Friedrich –Loeffler-Institut haben Wissenschaftler aus dem Bereich der Tierzucht, der Ackerbohnenzüchtung, der Geflügelernährung, der Produktkunde, des Marketings und Geflügelhaltern zusammengearbeitet.
Im Rahmen des Projekts ‚Potentiale der nachhaltigen Nutzung regionaler Rassen und einheimischer Eiweißfuttermittel in der Geflügelproduktion‘, gefördert durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK 11-76251-99-30/16), geht es um die Erprobung eines alternativen Produktionssystems. Im Mittelpunkt stehen zwei Fütterungsversuche mit Hühnern lokaler Rassen, die mit regional erzeugten Ackerbohnen anstelle von Sojamehl gefüttert wurden.
Als lokale Hühnerrasen wurden das norddeutsche Vorwerkhuhn und die aus Frankreich stammenden Bresse Gauloise gewählt. Während das Vorwerkhuhn eher eine legebetonte Zweinutzungsrasse ist, sind die Bresse Gauloise mehr fleischbetont. Dazu kamen White Rock- Elterntierhennen der Lohmann Breeders GmbH, die als Vergleichstiere kommerzieller Herkunft und als Kreuzungspartner dienen sollten. In einem ersten Versuch wurden die Tiere der beiden Rassen sowie die White Rock Hennen getestet, während im Folgejahr Kreuzungen aus den genannten Genotypen untersucht wurden (Vorwerkhuhn Hahn x Bresse Gauloise Henne, Vorwerkhuhn Hahn x White Rock Henne, Bresse Gauloise Hahn x White Rock Henne).
Ackerbohnen (Vicia faba L.) sind aufgrund ihres hohen Stärke und Proteingehalts gut als Ersatz für Sojaextraktionsschrot geeignet. Ein Problem der Ackerbohnen sind allerdings die anti-nutritiven Inhaltsstoffe Vicin und Convicin, von denen in der Literatur berichtet wird, dass sie sich in höheren Konzentrationen negativ auf die Gesundheit und Leistung insbesondere von Legehennen auswirken können. Es gibt bereits einige Ackerbohnensorten, die als vicin-arm gelten, allerdings noch keine vicin-arme Winterackerbohne. Da die Angaben in der Literatur teilweise widersprüchlich sind und immer noch hauptsächlich herkömmliche Ackerbohnen mit hohen Vicin-Gehalten angebaut werden, wurden in unserem Versuch Rationen mit je 20% vicin-reichen (Sorte Fuego) und vicin-armen Ackerbohnen (Sorte Tiffany) miteinander verglichen. Als Kontrolle diente ein Futter auf Sojabasis. Erwähnenswert ist außerdem, dass das Futter der Hähne auch noch Erbsen und Blaue Süßlupinen enthielt, so dass der Gesamtgehalt heimischer Leguminosen hier über 60% lag.
Die Fütterungsversuche wurden nach Geschlechtern getrennt durchgeführt.
Hennen:
Im Fokus standen hier neben der Legeleistung und der Eiqualität auch verschiedene Knochenparameter als Indikatoren der Tiergesundheit.
Hinsichtlich der Legeleistung haben die Hennen der kommerziellen White Rock-Linie am besten abgeschnitten, die Kreuzung aus Bresse Gauloise Hahn x White Rock Henne konnte aber ähnlich gute Leistungen erzielen. Die Eiqualität war bei allen sechs getesteten Genetiken vergleichbar gut, wobei die Eier der lokalen Hühnerrassen zwar kleiner waren, aber dafür einen höheren Dotteranteil aufwiesen. Die Fütterung mit Ackerbohnen führte in den vicin-reich gefütterten Gruppen zu einer leichten Verringerung der Eigewichte gegenüber der vicin-arm oder mit Soja gefütterten Gruppen. Die White Rock hatten die schlechteste Knochenqualität, die sich durch die Kreuzung mit Bresse Gauloise Hähnen verbessern lies.
Hähne:
In den Versuchen mit den Hähnen wurde untersucht, wie es um die Gewichtsentwicklung, den Futteraufwand und die Zusammensetzung der Schlachtkörper bestellt ist.
Die beste Mastleistung erzielte erwartungsgemäß die fleischbetonte Zweinutzungsrasse Bresse Gauloise bzw. die Kreuzungen mit diesen. Die Hähne der legebetonten Vorwerkhühner und White Rock wuchsen langsamer und hatten geringere Anteile an Brustfleisch. Bei allen Genetiken waren die Gewichtsentwicklung und die wertbestimmenden Bruststücke deutlich geringer ausgeprägt als bei kommerziellen Broilern, so dass die Vermarktung als ganze Körper erfolgen sollte.
Die Fütterung mit Ackerbohnen hatte keine negativen Auswirkungen auf die Tiere und deren Entwicklung.
Fazit:
Das hier vorgestellte System kann natürlich nur eine Teillösung für die diskutierten Probleme der aktuellen Geflügelproduktion darstellen.
Während die Ackerbohnen im Futter gut funktioniert haben, bleibt die Leistung der untersuchten Hühnergenotypen hinter der der spezialisierten Linien zurück.
Die Formel ‚lokale Hühnerrasse bzw. Kreuzung daraus + regional erzeugtes (hofeigenes) Futter‘ ist aber definitiv ein interessanter Ansatz zum Beispiel für die Direktvermarktung, wo die Kunden die Besonderheit der Produkte zu schätzen wissen und bereit sind, für diese auch einen höheren Preis zu zahlen.
Originalveröffentlichungen: