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Diesen beiden Fragen ging die Nachwuchsgruppe der Deutschen Phytomedizinischen Gesellschaft (DPG) e.V. während ihrer Fachexkursion nach Südtirol u. a. nach. Hierzu trafen sich die Teilnehmer mit dem Sprecher des Promotorenkomittes, Dr. Fragner-Unterpertinger, und dem Landwirtschaftreferenten der Gemeinde, Günther Wallnöfer, vor Ort.streit

Sebastian Streit, Doktorand in der Abteilung für Pflanzenpathologie und -schutz, und Nachwuchssprecher der Deutschen Phytomedizinischen Gesellschaft im Jahr 2016, verfasste im Anschluss an die Fachexkursion folgenden Beitrag, der zuvor auf dem Blog der Südtiroler Bauernjugend erschien. Auf AgrarDebatten möchten wir diesen nun aufgreifen, insbesondere nach der Debatte „Pflanzenschutz – ein gesellschaftliches Missverständnis“ der letzten Woche:

Wichtigster Hintergrund für uns waren die Flächenstruktur und die besonderen klimatischen Gegebenheiten. Landwirtschaftlich ist Mals durch eine stark parzellierte Form der extensiven Weidehaltung geprägt. Noch heute hat in dieser Region die Haltung von Milchvieh auf den Tal- und Bergweiden große Bedeutung. Durch die Abdrift und den Eintrag von Pflanzenschutzmitteln in Nichtzielflächen durch den im Tal vorherrschenden Oberwind soll, so die Mitglieder des Promotorenkomitees, die Gesundheit der Einwohner, der Natur, sowie die Qualität der landwirtschaftlichen Ökoerzeugnisse stark beeinträchtigt sein. Indirekt erfuhren wir weiterhin, dass Malser Landwirte und Anwohner ihre ursprüngliche Kulturlandschaft durch die Ausbreitung des intensiven Apfelanbaus in jüngster Vergangenheit bedroht sehen.

Am Runden Tisch wurde das Für und Wider einer Landwirtschaft diskutiert, die auf den Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln verzichtet, sowie die Produktivität dieser Systeme bewertet. In diesem Zusammenhang erfuhren wir auch, dass, anders als in Deutschland, Rückstände von PSM auf Grünfutter zum sofortigen Entzug des Öko-Status führen. Es hat sich daher als durchaus nachvollziehbar für uns dargestellt, dass die starke Abdrift mit den dortigen, sehr viel strengeren Öko-Richtlinien, durchaus ein Problem für ansässige Landwirte sein kann.

Allerdings betrachte ich es als sehr gefährlich aus dieser Motivation heraus den Einsatz chemisch-synthetischer PSM gänzlich abzulehnen und deren Einsatz zu verbieten. Wir benötigen Pflanzenschutzmittel, um weltweit die Nahrungsmittelproduktion sicherzustellen. Hungersnöte, wie beispielsweise die große Hungersnot in Irland zwischen 1845 bis 1852, die durch einen pilzähnlichen Erreger zum Hungerstod von ca. 1 Millionen Menschen führten, gehören heute zum Glück der Vergangenheit an. Der moderne Pflanzenschutz leistet einen großen Beitrag dazu, dass wir solche Hungersnöte aktuell nicht mehr erleben. Dabei muss die Ausbringung von PSM immer als letztmögliche Option in der Gesamtheit aller zur Verfügung stehenden Maßnahmen des integrierten Pflanzenschutzes betrachtet werden.

Die Ausbringung von PSM ist indes in manchen Jahren und Klimaten unausweichlich, um Erntemengen und Qualitäten sicherzustellen. Dies gilt für integriert produzierende wie auch für Ökobetriebe gleichermaßen. Es ist ein Irrglaube anzunehmen, dass Öko-Landwirte keinerlei PSM einsetzen. Es sind nur die Mittel und deren Ursprung, die sich hierbei unterscheiden. Öko-Betriebe setzen keine chemisch-synthetische PSM ein, dafür jedoch z. B. „natürliche“ Mittel wie schwefel- oder kupferhaltige Präparate. Vergleicht man exemplarisch zwei im jeweiligen Produktionssystem gängige Wirkstoffe, so stellt man überraschenderweise fest: Kupfersulfat als im Öko-Landbau zugelassenes Fungizid (LD50 = 300 mg/kg) besitzt eine nahezu 14-fach höhere letale Dosis als ein weit verbreiteter Wirkstoff aus der integrierten Produktion, Epoxiconazol (LD50= 4120 mg/kg). Und das ist kein zufälliger Einzelfall, im Gegenteil: 96 % aller zugelassenen Wirkstoffe gehören keiner Giftklasse mehr an, das heißt sie liegen toxikologisch im Bereich von Kochsalz oder besser.

Dieser entscheidende Fakt wurde bisher aus meiner Sicht in der ganzen Diskussion in der Gemeinde Mals gänzlich unbeachtet gelassen. Die starke Abdrift im Tal macht dabei naturgemäß bei der Ausbringung von im Ökolandbau zugelassenen Mitteln keinen Halt. Wenn die Initiatoren jedoch mit der Toxizität von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln für ein Verbot des Einsatzes derselben argumentieren, so muss bedacht werden: Was ist denn eigentlich die Alternative?

Wir werden die Geschehnisse in Mals mit großem Interesse weiterverfolgen. Ich möchte mich an dieser Stelle bei den Herren Fragner-Unterpertinger und Wallnöfer herzlich für Ihre Zeit und die lebhafte Diskussion bedanken.

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