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– Ein Plädoyer für effektiven Wildbienenschutz und unwirksamen Aktionismus –

Bienen sind unglaublich faszinierende Tiere. Der Nutzen dieser kleinen Lebewesen wird immer mehr Bürgern*innen bewusst, ebenso wie das Wissen darüber, dass diese stark bedroht sind. Erfreulicherweise hat infolge dessen auch das Interesse an ihrem Schutz und ihrer Förderung deutlich zugenommen. Jedoch fehlt hierfür oftmals Hintergrundwissen über die Biologie und Ökologie der Wildbienen, um diese effektiv schützen zu können.

Als Reaktion auf den Aufruf des Göttinger Landvolkes zur Spende für eine Anlage von Blühstreifen auf Ackerflächen zum Wildbienenschutz, hat der Arbeitskreis Wildbienen der Biologischen Schutzgemeinschaft eine ausführliche Stellungnahme darüber erarbeitet, wie Wildbienen tatsächlich effektiv geschützt werden können.


Zusammenfassung der Stellungnahme:

Skabiosen-Furchenbiene (Halictus Scabiosae) – Aufnahme von Thomas Fechtler

Wildbienen genießen hohe Sympathiewerte und sind für die Bestäubung vieler Kultur- und Wildpflanzen unersetzlich, doch mehr als jede zweite der fast 600 Wildbienenarten in Deutschland ist bereits ausgestorben, verschollen oder bestandsbedroht (Arten der „Roten Liste“). Sie stehen symbolisch für das Insektensterben und die Sorge um den Rückgang der Artenvielfalt (Biodiversität), der sich besonders in der Agrarlandschaft drastisch bemerkbar macht. Dies wird immer mehr Menschen bewusst, wodurch es bundesweit zu unzähligen, gutgemeinten Aktionen im Namen des Wildbienenschutzes kommt. Ein aktuelles Beispiel ist die Initiative des Landvolkes Göttingen, bei der durch Spenden Blühstreifen auf Ackerflächen finanziert werden, um „Paradiese für Bienen und Schmetterlinge“ zu schaffen. Auch der Göttinger Kreistag hat sich kürzlich für den Insektenschutz ausgesprochen. Allerdings ist nicht alles, was blüht, gleich gut für Wildbienen geeignet, und so sind viele Maßnahmen leider nicht annähernd so effektiv und nachhaltig nutzbringend, wie sie es sein könnten.

Die üblichen einjährigen Blühstreifenmischungen helfen nur wenigen Wildbienenarten!

So ist auch bei der aktuellen Aktion des Landvolkes Göttingen zu befürchten, dass hauptsächlich einjährige Blühstreifen angelegt werden. Diese bieten grundsätzlich mehr Pollen und Nektar als intensiv genutzte Ackerflächen. Allerdings werden in einjährigen Blühstreifen hauptsächlich nicht-einheimische Pflanzenarten angesät, wie z.B. Rainfarn-Phazelie oder Sonnenblume. Diese sind zwar hübsch anzusehen und werden besonders von Honigbienen gerne besucht, sind aber für viele unserer Wildbienenarten in Deutschland völlig nutzlos. Das liegt daran, dass viele Wildbienen beim Blütenbesuch (insbesondere beim Pollensammeln) stark spezialisiert sind. Außerdem beginnen einjährige Blühstreifen erst im Sommer an zu blühen, wenn viele Frühlings-Arten ihr Brutgeschäft längst abgeschlossen haben. Auch ist es fraglich, ob Wildbienen die Blühstreifen in ausgeräumten Agrarlandschaften überhaupt finden, da ihre Flugdistanzen oft nur wenige hundert Meter betragen. Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist, dass die ganz überwiegend Erdnester anlegenden Wildbienen ohne geeignete Nistplätze in der Nähe ein noch so reichhaltiges Blütenangebot nicht nutzen können. Das Anlegen von Blühstreifen kann den Wildbienen sogar schaden, wenn dadurch wenig intensiv genutzte Ackerflächen mit einem vielfältigen Angebot an Ackerwildkräutern, die vielen spezialisierten Wildbienenarten zugutekommen, zerstört werden. 

Landwirtschaft, Naturschutz und Politik müssen an einem Strang ziehen!

Schöterich-Mauerbiene (Osmia brevicornis) – Aufnahme von Thomas Fechtler

Die momentan bestehende Bereitschaft, Insekten zu helfen, sollte daher für sinnvolle Bienen- und Insektenschutz-Maßnahmen eingesetzt werden, damit die dringend benötigten „Paradiese“ für Wildbienen und andere Blütenbesucher tatsächlich entstehen und nicht nur auf die Schnelle das Gewissen beruhigt wird. Dazu müssen Blühstreifen ein vielfältiges Angebot an einheimischen Pflanzenarten bieten, die auch von den Spezialisten besucht werden, sowie zumindest teilweise mehrjährig sein, um den Bienen die Überwinterung im Boden zu ermöglichen. Darüber hinaus ist eine allgemeine Extensivierung der Landwirtschaft unumgänglich, da nur so ein flächendeckendes Angebot an blühenden Ackerwildkräutern und Nistplätzen, beispielsweise in Feldrainen und Hecken, gesichert werden kann. Zum Erhalt und Schutz der faszinierende Vielfalt unserer heimischen Wildbienen und ihrer unersetzlichen Bestäubungsfunktion für Wild- und Nutzpflanzen müssen Landwirtschaft, Politik und Naturschutzverbände die Gelegenheit nutzen, um konstruktiv zusammen zu arbeiten und nachhaltigen Wildbienenschutz zu ermöglichen.

Bestehende Wildbienenlebensräume besser pflegen!

Um die aktuelle Diskussion zur Schaffung von Blühstreifen und ihre Bedeutung naturschutzfachlich einordnen zu können, schlagen wir an dieser Stelle eine Prioritätenliste für Maßnahmen zum Schutz gefährdeter Wildbienenarten vor. Dabei möchten wir betonen, dass in der Agrarlandschaft in den letzten Jahrzehnten besonders wenig effektiver Naturschutz betrieben wurde und biodiversitätswirksame Maßnahmen in großem Umfang notwendig sind. Aus Sicht des Wildbienen-Artenschutzes ist aber die Anlage von Blühflächen in der Liste der prioritären Maßnahmen eher am unteren Ende anzusiedeln ─ verfügbare Gelder wären besser für die Erhaltung und Pflege von existierenden, naturnahen und halbnatürlichen Lebensräumen investiert. Auch bei Wildbienenschutzmaßnahmen muss gelten: „Weniger Aktionismus, mehr Nachhaltigkeit“. Aktuelles Problem des Wildbienenschutzes ist einerseits die zu intensive Nutzung, andererseits die Nutzungsaufgabe wertvoller Lebensräume ─ und nicht das Fehlen künstlich angelegter, temporärer Blühflächen!

Prioritätenliste Wildbienen-Schutzmaßnahmen:

  1. Pflege und Erhalt natürlicher und halbnatürlicher Habitate wie Magerrasen, Heiden, artenreichem Grünland o.ä., trocken-warme Waldränder und künstlicher Habitate wie aufgelassene Steinbrüche, Ton-, Kies- und Sandgruben etc.
  2. Förderung extensiver Beweidung und Erhaltung artenreichen Grünlands
  3. Erhaltung und Neuschaffung von Nisthabitaten (insbesondere vegetationsarmer Offenbodenflächen wie Steilwände o.ä., totholzreicher Streuobstwiesen etc.)
  4. Förderung der autochthonen Ackerwildkrautflora durch Verzicht auf Düngung und Biozide
  5. Anlage von geeigneten (!), strukturreichen Blühflächen und Ackerrandstreifen
Blauschillernde Sandbiene (Andrena agilissima) – Aufnahme von Thomas Fechlter

Hier könnt Ihr die ausführliche Stellungnahme des Arbeitskreises Wildbienen der biologischen Schutzgemeinschaft Göttingen lesen.

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