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Ein Beitrag von Prof. Tobias Plieninger & Dr. Sebastian Lakner vom Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung der Universität Göttingen

Wie das „Volksbegehren Artenvielfalt“ in Bayern mit fast 1,8 Mio. Unterstützern zeigt, wird der Rückgang vieler Artengruppen in der Agrarlandschaft in Politik und Gesellschaft derzeit intensiv diskutiert. Die Abnahme der Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten in Deutschland ist in der Tat dramatisch, wie etwa die Entwicklung bei vielen Vogelarten zeigt. So hat die Feldlerche, ein ehemals häufiger Vogel in der Agrarlandschaft, seit 1990 rund 40 Prozent ihrer Bestände eingebüßt. Beim Rebhuhn wurde gar ein Rückgang um 84 Prozent festgestellt. Ähnliche Entwicklungen lassen sich bei den Insekten feststellen: So stellte eine Gruppe von Entomologen 2017 fest, dass die Biomasse von Insekten in verschiedenen Naturschutzgebieten Deutschlands seit 1989 um 75% abgenommen hat, und weitere Studien bestätigen diesen Trend.

Der Rückgang von Vielfalt und Masse an Insekten in der Agrarlandschaft sowie das Anwachsen der Roten Listen gefährdeter Arten ist deshalb so besorgniserregend, weil es mittlerweile auch gewöhnliche und einstmals sehr häufige Arten betrifft. Dies hat Auswirkungen nicht nur auf Vögel, welche auf Insekten angewiesen sind, sondern auch auf die Eigenschaften und das Funktionieren von Ökosystemen und damit letztlich auch auf den Menschen. Auch die landwirtschaftliche Tätigkeit ist von funktionierenden Agrarökosystemen abhängig, da z.B. die Schädlingsregulierung teilweise durch eine hohe Diversität gewährleistet wird. Allerdings bestehen Wissenslücken über den Umfang des Artenrückgangs, dessen vielfältige Ursachen und potenzielle Lösungsansätze.

Aus diesem Grund haben die deutschen Wissenschaftsakademien unter Federführung der Nationalen Akademie der Wissenschaften (Leopoldina) und der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, der auch wir angehören. Ziel der Initiative ist es, die sehr heterogenen Datensätze zum Rückgang der Biodiversität in Agrarlandschaften zusammenzustellen, die gesellschaftlichen Werte der Biodiversität herauszuarbeiten, die komplexen Ursachen für den Artenrückgang darzustellen und mögliche Handlungsoptionen aufzuzeigen.

Die erste Stellungnahme der Arbeitsgruppe vom Oktober 2018 kommt zu den folgenden Schlüssen:

  • Es gibt eindeutige wissenschaftliche Belege dafür, dass die Biodiversität in der Agrarlandschaft bei zahlreichen Artengruppen in Deutschland stark rückläufig ist.
  • Der Verlust der biologischen Vielfalt ist nicht auf Gebiete außerhalb von Schutzgebieten beschränkt, sondern findet auch innerhalb von Schutzgebieten statt.
  • Mitverantwortlich sind unter anderem die Zunahme von ertragreichen, aber artenarmen Ackerbaukulturen, die vorbeugende und flächendeckende Nutzung von Pflanzenschutzmitteln, intensive Düngung, die Vergrößerung der Wirtschaftseinheiten, der Verlust von artenreichem Grünland und die abnehmende Strukturvielfalt der Landschaft.
  • Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der biologischen Vielfalt bedürfen einer systemischen Herangehensweise mit vielfältigen, parallelen Lösungsansätzen.
  • Besonderer Handlungsbedarf besteht bei der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU, sowie deren Umsetzung in Deutschland, damit deutlichere Anreize für eine biodiversitätsfreundliche Landbewirtschaftung geschaffen werden.
  • Eine engere Abstimmung zwischen Agrar- und Naturschutzpolitik auf regionaler und nationaler Ebene scheint ebenso erforderlich.
  • Auch Gemeinden stehen in der Pflicht, biologische Vielfalt auf ihren Flächen zu erhalten, zu pflegen und zu erhöhen. Ebenso kann der Handel zur Erhöhung der biologischen Vielfalt beitragen.
  • In der Gesellschaft muss das Bewusstsein für den Wert der biologischen Vielfalt gestärkt werden, beispielsweise an außerschulischen Lernorten wie Museen.
  • Um künftige Zustandsveränderungen eines breiten und repräsentativen Spektrums an Arten und Lebensräumen zu dokumentieren und die Wirksamkeit von Maßnahmen zum Erhalt der biologischen Vielfalt überprüfen zu können, bedarf es eines langfristigen, bundesweiten und standardisierten Monitorings.

Die Kurz-Stellungnahme der Akademien kann heruntergeladen werden auf: https://www.leopoldina.org/publikationen/detailansicht/publication/artenrueckgang-in-der-agrarlandschaft-2018/. Eine ausführliche Stellungnahme wird zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht.

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