Öffentliche Ringvorlesung im Wintersemester beginnt am 8. November 2022
„Die Folgen des Kriegs in der Ukraine“ lautet der Titel der öffentlichen Ringvorlesung der Universität Göttingen und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen im Wintersemester 2022/23. Die Reihe thematisiert die Folgen des Kriegs aus der Perspektive verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen, organisiert hat das Programm der Göttinger Agrarökonom Prof. Dr. Stephan von Cramon-Taubadel. Die Vorträge finden ab dem 8. November 2022 jeweils dienstags um 18.15 Uhr in der Aula am Wilhelmsplatz statt. Das gesamte Programm ist unter www.uni-goettingen.de/ringvorlesung zu finden.
Die ersten drei Vorträge der Ringvorlesung thematisieren die Folgen des Kriegs für die Agrarproduktion, den Handel sowie die Ernährungssicherheit und die Agrarpolitik aus der Sicht der praktischen Landwirtschaft, des internationalen Agrarhandels und der Wissenschaft. Nach einem Vortrag zur Frage der Selbstständigkeit der ukrainischen Sprache aus wissenschaftlicher Sicht schließt ein kritischer Blick auf die innenpolitische Entwicklung der Ukraine vor dem Krieg und seit Kriegsbeginn an. Auch die komplexe Rolle der orthodoxen Kirchen wird erläutert. In zwei weiteren Vorträgen geht es um die Folgen des Konflikts für die ukrainische Bevölkerung und ukrainische Flüchtlinge in Deutschland und der EU.
Die weiteren Vorlesungen greifen das Thema der Energieversorgung und -politik in Deutschland und der EU auf, wagen den Versuch einer internationalen und historischen Einordnung der Hilfe, die die Ukraine erhalten hat und noch benötigt, und beschäftigen sich mit der Frage, ob eine neue Blockbildung und ein Ende der Globalisierung drohen. Zum Abschluss werden in der letzten Veranstaltung die Folgen für die globale Koordinierung der Agrar- und Ernährungspolitik aufgegriffen.
Die Ringvorlesung wird erneut vom Universitätsbund Göttingen e.V. unterstützt. Die Aufzeichnungen der Vorträge werden jeweils eine Woche später am Mittwoch um 12 Uhr im StadtRadio Göttingen (107,1 MHz) ausgestrahlt. Zudem sind sie langfristig verfügbar als Video-Mitschnitt unter www.uni-goettingen.de/ringvorlesung sowie als Audiodatei unter https://goedoc.uni-goettingen.de/lectures/list.
Kontakt
Prof. Dr. Stephan von Cramon-Taubadel
Georg-August-Universität Göttingen
Fakultät für Agrarwissenschaften
Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung
Telefon (0551) 39-23340
E-Mail: scramon@gwdg.de
Internet: www.uni-goettingen.de/de/18906.html
Sehr geehrter Prof. Dr. von Cramon-Taubadel,
mein Name ist Julia und ich bin gebürtige Ukrainerin. Vor einigen Tagen hat mir mein Nachbar, ein älterer VWL-Dozent an der Universität Göttingen, sehr aufgeregt die Broschüre zu der von Ihnen organisierten öffentlichen Ringvorlesung „Die Folgen des Kriegs in der Ukraine“ in die Hand gedrückt. Er war beinahe stolz darüber, dass die Universität sich diesem Thema widmet.
Auch ich war durchaus neugierig und hatte gestern Abend einen Blick auf das Programm geworfen. Zu sagen, dass ich Unglaube und Frustration über die Inhalte empfand, wäre maßlos untertrieben.
Mit keinem, aber auch wirklich KEINEM einzigen Wort wird weder in der in der Beschreibung des Programms noch in den Vortragstiteln auch nur erwähnt, wieso es diesen Krieg, über dessen Folgen Sie und Ihre Kollegen und Kolleginnen ja diskutieren wollen, überhaupt gibt.
Dass es einen eindeutigen, nicht zu verleugnenden Aggressor gibt, der diesen ANGRIFFSkrieg gegen Ukraine zu verantworten hat, scheint in Ihren Ausführungen völlig irrelevant zu sein.
Dass es Russland ist, das die globale Ernährungssicherheit aufs Spiel setzt; dass es Russland ist, das für die Millionen von Geflüchteten aus Ukraine verantwortlich ist; dass es Russland ist, dem wir die weltweite Energiekrise zu „verdanken“ haben – all das kehren Sie ohne Kommentar unter den Teppich.
So als wäre der Krieg in Ukraine von alleine ausgebrochen, einfach so. Als wäre das ein völlig zufälliges, nicht zuordenbares Phänomen – wie eine Naturkatastrophe. Damit nehmen Sie den alleinigen Verursacher komplett aus der Verantwortung. Und nicht nur das – Sie suggerieren damit, dass es nichts gibt, was man dagegen tun kann. Außer nun eben mit den Folgen leben.
Statt also Ihre wissenschaftliche Sichtweise in einen aktuellen gesellschaftspolitischen Kontext einzuordnen und die relevanten Zusammenhänge aufzuzeigen, möchten Sie lieber erst einmal einen „kritischen Blick auf die innenpolitische Entwicklung der Ukraine“ werfen und die vermeintlichen „Sprachenprobleme“ eines Landes aufzeigen, welches sich seit fast 9 Jahren im Krieg befindet und seit 8 Monaten Terror und Genozid ausgesetzt ist.
Mit Verlaub – dass Ihnen diese Absurdität und fehlplatzierte Deutungshoheit nicht auffällt, ist erstaunlich und besorgniserregend. Sie nutzen ein hochkomplexes, akutes und global relevantes Thema, um Ihre eigene Reichweite als ein etablierter und angesehener Wissenschaftler an einer öffentlichen Bildungsstätte zu vergrößern, und dabei übergehen Sie in vollem Bewusstsein nicht nur die zugrundeliegenden Entwicklungen und die Tragweite dieser Ereignisse, sondern auch die Sichtweisen der tatsächlich Betroffenen – der Ukrainer und Ukrainerinnen.
Dabei konnte ich Ihrem Lebenslauf entnehmen, dass Sie durchaus Kontakt mit ukrainischen Kollegen und Kolleginnen aus Ihrem Forschungsfeld haben. Schließlich sind Sie Mitglied der Herausgeberschaft zweier ukrainischer Fachzeitschriften. Wäre es nicht möglich gewesen, diese als Vortragende einzuladen? Ukrainische Stimmen zu Wort kommen zu lassen? Endlich mit Ukrainern und Ukrainerinnen zu sprechen, statt über sie?
Stattdessen stellt sich Ihre Vortragsreihe als eine Westplaning- par excellence-Veranstaltung dar. Da fehlen nur noch Precht und Welzer.
Wenn es die Absicht dieser Ringvorlesung war, auf den Zug einer Thematik aufzuspringen, die Ihren Forschungsinhalten und denen Ihrer Kollegen und Kolleginnen einfach nur eine schnelle Bühne bietet – dann haben Sie genau das erreicht.
Einen wirklich wertvollen gesellschaftlichen Beitrag, der Russlands Angriffskrieg, seine ökonomischen und sozialen Hintergründe, Auswirkungen und Möglichkeiten, diese zu beheben aufzeigt, kann man darin nur mit Mühe finden. Das ist wahrhaftig bedauerlich.
Ich verbleibe mit betroffenen Grüßen