Die deutsche Landwirtschaft steht aktuell vor unterschiedlichen Transformationsprozessen: Es soll der Anteil des ökologischen Landbaus bis 2030 auf 30 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche steigen. Parallel dazu – und unabhängig von der Bewirtschaftungsform – sollen die landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen deutlich reduziert werden. Im Kontext der Senkung von Treibhausgasemissionen gewinnt die Sequestrierung von Kohlenstoff in landwirtschaftlich genutzten Böden in Form des Carbon Farming zunehmend an Bedeutung und Beachtung. Zunehmend wird auch die Frage diskutiert, inwieweit sich Carbon Farming-Praktiken in den ökologischen Landbau integrieren lassen. Eine Studie der Georg-August-Universität Göttingen, durchgeführt in Kooperation der Arbeitsbereiche Management der Agrar- und Ernährungswirtschaft und Landwirtschaftliche Betriebslehre, beleuchtet die Perspektiven von Ökolandwirtinnen und Ökolandwirten und zu einer Kombination dieser zwei Betriebskonzepte.
Was ist Carbon Farming?
Carbon Farming zielt darauf ab, durch gezielte landwirtschaftliche Praktiken die Kohlenstoffspeicherung im Boden durch den Aufbau von Humus zu maximieren. Die tatsächlich erreichbare Speicherung ist dabei stark von den standortspezifischen Bedingungen wie Bodenart, Klima und bisheriger Bewirtschaftung abhängig. Die Maßnahmenpalette reicht von reduzierter Bodenbearbeitung über erweiterte Fruchtfolgen bis hin zu Agroforstsystemen, wobei jede dieser Maßnahmen mit spezifischen Herausforderungen verbunden ist. So kann beispielsweise eine reduzierte Bodenbearbeitung zu erhöhtem Herbizideinsatz führen oder erweiterte Fruchtfolgen können die Wirtschaftlichkeit des Betriebs beeinträchtigen. Neben dem Klimaschutzeffekt wird angenommen, dass die Betriebe von verbesserter Bodenfruchtbarkeit, höherer Wasserhaltekapazität und gesteigerter Resilienz gegenüber Wetterextremen profitieren. Allerdings ist zu beachten, dass der Prozess der Kohlenstoffspeicherung Jahre bis Jahrzehnte in Anspruch nimmt und die Speicherkapazität der Böden begrenzt ist. Ab einem gewissen Punkt tritt eine Sättigung ein, sodass keine weitere Kohlenstoffanreicherung mehr möglich ist.
Zusätzlich eröffnet der noch junge CO2-Zertifikatehandel neue, wenn auch unsichere Einkommensmöglichkeiten. Die finanzielle Honorierung der Kohlenstoffspeicherung erfolgt derzeit über verschiedene Zertifizierungssysteme, die sich in zwei grundlegende Ansätze unterteilen: Einige Zertifizierer honorieren den messbaren Anstieg der Humuswerte über mehrere Jahre und leisten entsprechende Zahlungen. Andere Anbieter gewähren Förderungen für die Umsetzung zusätzlicher Carbon Farming-Maßnahmen auf der Fläche. Das Fehlen einheitlicher Zertifizierungsstandards und Messvorschriften führt zu grundlegenden Herausforderungen hinsichtlich Quantifizierung, Zusätzlichkeit und Dauerhaftigkeit der Kohlenstoffspeicherung. Insbesondere die hohe Reversibilität des im Boden gespeicherten Kohlenstoffs wirft Fragen zur Rechtfertigung der Klimazertifizierung auf, da diese eine langfristige Klimawirkung beschreiben muss. Die Gefahr besteht, dass durch veränderte Bewirtschaftung oder extreme Wetterereignisse der gespeicherte Kohlenstoff wieder freigesetzt wird.
Ökolandwirtinnen und Ökolandwirte im Fokus: Vier Meinungsgruppen
Zwischen ökologischem Landbau und Carbon Farming bestehen Synergien und Zielkonflikte. Einerseits kann der ökologische Landbau durch geschlossene Nährstoffkreisläufe, vielfältige Fruchtfolgen und den Einsatz organischer Düngemittel bereits Praktiken aufweisen, die dem Humusaufbau zuträglich sind. Andererseits erschweren systembedingte Anforderungen des Ökolandbaus, wie die intensive mechanische Unkrautregulierung mit häufigen Überfahrten die erfolgreiche Integration von Carbon Farming-Maßnahmen. Die Studienergebnisse zeigen, dass die Vereinbarkeit von ökologischer Wirtschaftsweise und Carbon Farming auch aus Sicht der Praktikerinnen und Praktiker nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden kann. Die identifizierten Meinungsgruppen unter den 20 per Tiefeninterview befragten Ökolandwirtinnen und Ökolandwirte spiegeln verschiedene Facetten dieses Spannungsfeldes wieder.
Die „Integrierten“ umfassen vorwiegend etablierte Gemischtbetriebe mit langjähriger Öko-Erfahrung. Von den Vertretenden dieser Gruppe wird Carbon Farming als ideale Ergänzung ihrer bestehenden Wirtschaftsweise gesehen, da es mit ihren etablierten Fruchtfolgen harmoniert, die viele extensive und weniger intensiven Kulturen umfassen. Sie betrachten Bodenfruchtbarkeit als fundamentales Element ihrer Wirtschaftsweise und betonen die positiven Effekte, wie verbesserte Wasserhaltefähigkeit und Bodenstruktur – finanzielle Anreize durch Zertifikate spielen eine untergeordnete Rolle.
Die „Newcomer“ setzen sich hauptsächlich aus jungen Betriebsleiterinnen und Betriebsleitern zusammen, die ihre Betriebe erst kürzlich umgestellt haben. Diese Gruppe äußert sich deutlich skeptischer gegenüber Carbon Farming. Sie betreiben ökologischen Ackerbau nach EU-Öko-Standard ohne Verbandszugehörigkeit. Die Integration von Carbon Farming scheitert aus ihrer Sicht an praktischen Hürden, wie einem zeitlichen Mehraufwand und unpassenden Fruchtfolgen. Sie wollen weder auf den Pflug verzichten noch ihre intensiven Kulturen aufgeben. Die Wertschöpfung ihrer Betriebe basiert primär auf der Produktion, nicht auf Prämien.
Die „Autonomen“ legen besonderen Wert auf unternehmerische Entscheidungsfreiheit. Diese heterogene Gruppe umfasst sowohl reine Ackerbaubetriebe als auch Nebenerwerbsbetriebe mit Mutterkuhhaltung. Die Betriebe wirtschaften überwiegend unabhängig von Verbänden. Diese Gruppe betrachtet Carbon Farming als „Einstellungssache“ und generell sinnvoll, betont aber die Notwendigkeit betriebsindividueller Lösungen. Sie haben teilweise bereits Carbon Farming-Maßnahmen implementiert, beschreiben eine weitere Ausdehnung jedoch als schwierig. Der Zertifikatemarkt wird kritisch als „Blackbox“ bezeichnet.
Die „Strukturierten“ – überwiegend große Ackerbaubetriebe – sehen im Carbon Farming als Einzelkonzept durchaus Potenzial, bewerten aber die Kombination mit ökologischer Wirtschaftsweise kritisch. Sie betonen die Herausforderungen der ökologischen Bewirtschaftung, wie häufige Überfahrten im Rahmen der organischen Düngung und intensiver Bodenbearbeitung zur mechanischen Unkrautregulierung. Diese Faktoren erschweren aus ihrer Sicht einen Humusaufbau und damit der Integration von Carbon Farming. Ihre Teilnahme würde stark von entsprechenden finanziellen Anreizen abhängen.
Fazit
Die Untersuchung macht deutlich, dass die Integration von Carbon Farming in den ökologischen Landbau ein höchst anspruchsvolles Unterfangen darstellt, dessen Erfolg keineswegs garantiert ist. Ob sich beide Systeme ergänzen können, hängt stark von den betrieblichen Voraussetzungen und entsprechenden Rahmenbedingungen ab. Die meisten befragten Ökolandwirtinnen und Ökolandwirte zeigen sich grundsätzlich offen für die Integration von Carbon Farming, auch wenn die Herangehensweisen je nach Betriebsstruktur und persönlicher Einstellung variieren. Mit angepassten Förderinstrumenten, die sowohl Neueinsteigende als auch Betriebe mit bereits hohem Humusaufbau berücksichtigen, praxistauglichen Zertifizierungssystemen und gezielter Beratung kann die Kombination beider Systeme ihr Potenzial für eine ressourcenschonende Landwirtschaft entfalten.
Kontakt
Magdalena Höwer
Prof. Dr. Silke Hüttel
E-Mail: silke.huettel@uni-goettingen.de
Arbeitsbereich Management der Agrar- und Ernährungswirtschaft
Dr. Marius Michels
E-Mail: marius.michels@agr.uni-goettingen.de
Arbeitsbereich Landwirtschaftliche Betriebslehre