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Es fällt vielen Menschen schwer, die Nachhaltigkeit von landwirtschaftlichen Betrieben einzuschätzen

Prof. Dr. Gesa BuschDepartment für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung, Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte an der Universität Göttingen

Betriebsgrößen: Göttinger Forschungsteam untersucht die gesellschaftliche Wahrnehmung

In der gesellschaftlichen Debatte zur Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft spielt die Größe des landwirtschaftlichen Betriebs eine wichtige Rolle. Viele Menschen bevorzugen kleine Betriebe mit Nutztierhaltung. Dies hat eine Verbraucherstudie der Universität Göttingen ergeben. Die Ergebnisse der Studie sind in der Fachzeitschrift PLOS Sustainability and Transformation erschienen.

Für die Studie wurden 985 Bürgerinnen und Bürger in Deutschland im Mai 2021 online befragt. Die Stichprobe ist in Bezug auf Alter, Geschlecht, Bildung und regionaler Verteilung repräsentativ für die deutsche Bevölkerung. Untersucht wurden Assoziationen der Bevölkerung zur Betriebsgröße, Wahrnehmungen der Medienberichterstattung über Betriebe unterschiedlicher Größe, Einstellungen zu gesetzlichen Regelungen zu Betriebs- und Herdengrößen sowie die Überzeugungskraft von wissenschaftlichen Ergebnissen.

Die große Mehrheit der Teilnehmenden (75,8 Prozent) zeigt eine klare Präferenz für kleine Tierhaltungsbetriebe und das, obwohl die Betriebsgröße von den Befragten als wenig wichtig für einen „idealen“ Tierhaltungsbetrieb gesehen wird. Die Präferenz für kleine Betriebe rührt daher, dass diese als vorteilhaft in Bezug auf das Wohlergehen der Tiere, den Umweltschutz und die Produktqualität bewertet wird. Lediglich die Wirtschaftlichkeit wird als problematisch gesehen. „Es fällt vielen Menschen schwer, die Nachhaltigkeit von landwirtschaftlichen Betrieben einzuschätzen“, kommentiert Erstautorin Prof. Dr. Gesa Busch, die nun an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf forscht. „Daher wird die Betriebsgröße wohl als Ersatzindikator herangezogen – auch wenn dies aus fachlicher Sicht zu Fehleinschätzungen führen kann.“

Fast alle Befragten erinnern sich an negative Medienberichterstattung über Tierhaltungsbetriebe (92 Prozent der Befragten), und 83 Prozent geben an, dass es dabei häufiger um große Betriebe ging. An positive Medienberichterstattung erinnern sich mit 81 Prozent etwas weniger Menschen, zudem wird diese hauptsächlich mit kleinen Betrieben in Verbindung gebracht (56,8 Prozent). Mehr als die Hälfte der Befragten wünscht sich Regelungen, die die Größe der Betriebe und Ställe in der Tierhaltung begrenzen. Viele Menschen haben eine Präferenz für kleine Betriebe in der Landwirtschaft. Im Gegensatz dazu haben wissenschaftliche Untersuchungen zumeist keinen direkten Zusammenhang zwischen Betriebsgröße und Nachhaltigkeitsindikatoren gefunden. Die Ergebnisse aus der Wissenschaft zu einem fehlenden Zusammenhang zwischen Betriebsgröße und Tier- oder Klimaschutz überzeugen jedoch nur 33 Prozent oder 39,8 Prozent der Menschen in der Stichprobe.

Dies stellt eine Herausforderung für die Kommunikation mit der Öffentlichkeit über die Zukunft der Landwirtschaft dar, da die Betriebsgrößen voraussichtlich weiter zunehmen werden und sich aus wissenschaftlicher Sicht keine eindeutigen Zusammenhänge zwischen Betriebsgrößen und Nachhaltigkeit zeigen. „Entscheidender als die Betriebsgröße sind das Haltungssystem sowie die Kompetenzen und das Engagement der Mitarbeitenden. Beides kann in großen wie in kleinen Betrieben gegeben sein“, so Co-Autor Prof. Dr. Achim Spiller.

Originalveröffentlichung: Busch, G., Bayer, E., Spiller, A., Kühl, S. „Factory farming“? Public perceptions of farm sizes and sustainability in animal farming. PLOS Sustainability and Transformation 2022. https://doi.org/10.1371/journal.pstr.0000032

Kontakt

Dr. Sarah Kühl
Georg-August-Universität Göttingen
Fakultät für Agrarwissenschaften
Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung
Abteilung Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte
Platz der Göttinger Sieben 5, 37073 Göttingen
E-Mail: sarah.kuehl@agr.uni-goettingen.de
Internet: www.uni-goettingen.de/de/443621.html

8 Comments

  • Eckart Grünhagen sagt:

    Die Studie hat nicht sichergestellt, dass eine Zufallsstichprobe untersucht worden ist. Deshalb sind die Schlussfolgerungen nur für die Stichprobe gültig und können nicht auf Deutschland als Grundgesamtheit übertragen werden. Es ist höchstbedauerlich, dass die Autoren nur naheliegende Vermutungen bei der Interpretation der Ergebnisse äußern, ohne wissenschaftlich fundierte Ursachenforschung betrieben zu haben. Die beschreibende Statistik der Autoren ist nicht geeignet, Ursachen für die Antworten der Befragten zu identifizieren.

    • Achim Spiller sagt:

      Lieber Herr Grünhagen,
      Eine klassische Zufallsstichprobe bei Verbraucherstudien (Random Sampling) ist heute kaum noch möglich, am Ehesten noch mit telefonischer Befragungen, die aber sehr starke andere Einschränkungen haben. Wir haben uns – wie fast alle Konsumforscher:innen – über Quota-Sampling der Grundgesamtheit angenähert, aber klar, es gibt kleinere Verzerrungseffekte (z. B. zu wenig Personen ohne Schulabschluss und Migrant:innen). Aber das spielt für die hier vorgelegten sehr deutlichen Ergebnisse wohl eher keine Rolle. Mit einem solchen Standardvorwurf kann man also fast jede Art von empirischer Konsumforschung heute in Frage stellen – ohne Alternativen zu haben.
      Zur Ursachenforschung: Hm, was meinen Sie denn hier damit? Wir wollten durch den quasi-experimentellen Ansatz ja erst einmal ein Problem herausarbeiten. Die Ursachen für die Wahrnehmungen und Wahrnehmungsverzerrungen sind sicherlich spannend, aber ein nächster und schwieriger Schritt.

      • Eckart Grünhagen sagt:

        Sie könnten Ihrem zusammengetragenen Datensatz mit einer Varianzanalyse o.ä. Methoden Informationen entlocken, die weit über den Informationsgehalt von Häufigkeiten hinausgehen.

  • Achim Spiller sagt:

    Lieber Herr Grünhagen,
    hm, diese Art von Diskussion führt nicht weiter. Wir arbeiten vielfach mit unterschiedlichen multivariaten Methoden, u. a. auch Kausalanalysen. Aber was wollen Sie denn mit Ihrem Vorschlag sagen? Es ging uns doch hier gar nicht um Kausalitäten.
    VG
    Achim Spiller

  • Arnold Krämer sagt:

    Wozu dienen solche Befragungen, welchen Nutzen stiften Sie für wen? Schon mit dem Begriff der Nachhaltigkeit können die allermeisten Menschen nichts anfangen. Und bei den Begriffen „groß“ und „klein“ geht alles durcheinander in den Köpfen der Menschen. Kein Wunder bei dem einseitigen medialen Trommelfeuer landwirtschaftlicher Themen und den großen Wissenslücken in Politik und Gesellschaft bei wirtschaftlichen Fragestellungen. Und dann müssen sich die Wissenschaftler auch nicht wundern, dass die Akzeptanz ihrer Untersuchungen offensichtlich immer geringer werden.

    • Eckart Grünhagen sagt:

      Nutzen hätte diese Umfrage gestiftet, wenn den Ursachen für die Meinung der Befragten der Stichprobe mit statistischen Methoden auf den Grund gegangen worden wäre. Das wäre mit dem Datensatz möglich gewesen, lag aber anscheinend nicht im Interesse der Autoren. Deshalb sollte die Intention bei dieser Studie genauer hinterfragt werden. Beeinflussen Meinungsumfragen die öffentliche Meinung?

      • Eckart Grünhagen sagt:

        Ein Blick auf die Finanzierung der Studie könnte Hinweise auf die Intention geben:

        Funding: We are grateful to the Federal Office for Agriculture and Food (BLE) and Federal Programme for Organic Farming and Other Forms of Sustainable Agriculture (BÖLN) for financing this study in the project:“Improving social acceptance of organic livestock systems – Analysis of public expectations and development of trust marketing concepts”

      • Arnold Krämer sagt:

        „Beeinflussen Meinungsumfragen die öffentliche Meinung?“ Ohne Zweifel ist das so!

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