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Die Abteilung Pflanzenbau hat im Oktober einen neuen Versuch auf dem Reinshof angelegt. Zur Aussaat besuchte ein Team von AgrarDebatten Katharina Hey von der Abteilung Pflanzenbau auf dem Reinshof, um mehr über den Versuch zu erfahren.

Katharina Hey erklärt in einem kurzen Video was beim Versuch geschieht und wie sich Studierende durch das Verfassen von Bachelor- oder Masterarbeiten im Rahmen des Versuchs einbringen können:

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Die genauen Hintergründe zum Versuch beschreibt Prof. Dr. Stefan Siebert:

Seit dem Beginn des letzten Jahrhunderts haben sich die Weizenerträge in Deutschland vervierfacht. Während im Zeitraum um das Jahr 1900 etwa 2 t pro ha geerntet werden konnten, sind es im Mittel der letzten fünf Jahre etwa 8 t pro ha gewesen. Diese, der „Grünen Revolution“ zugeschriebenen Ertragssteigerungen, haben dazu geführt, dass in Deutschland aufgewachsene Menschen Hungersnöte nicht mehr aus eigenem Erleben kennen. Erstaunlich wenig belastbare Informationen gib es jedoch dazu, welche Faktoren diese Ertragssteigerungen möglich gemacht haben. Genannt werden oft der Züchtungsfortschritt, bessere Nährstoffversorgung, der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln oder bessere maschinelle Ausstattung der Betriebe. Welchen Anteil diese Faktoren an den Ertragssteigerungen konkret hatten ist aber weitgehend unbekannt.

Basierend auf Daten des im Jahr 1904 angelegten Langzeitdüngeversuchs Dikopshof nahe Bonn wurden Ertragstrends aus dem letzten Jahrhundert von Forschern der Universitäten Bonn und Göttingen genauer analysiert. Auf den seit 1904 nicht mehr gedüngten Versuchsflächen blieben die Erträge relativ konstant auf einem Niveau von 2 t pro ha während die Erträge auf den gut mit Nährstoffen versorgten Flächen insbesondere seit etwa 1950 mit einem stabilen, linearen Trend stark gestiegen sind, von etwa 3,8 t pro ha im Jahr 1953 auf  10 t pro ha im Jahr 2009. Diese jüngst im European Journal of Agronomy publizierten Daten zeigen, dass das hohe Ertragspotenzial moderner Sorten nur bei ausreichender Nährstoffversorgung, insbesondere mit Stickstoff, zur Geltung kommt.

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Um die Bedeutung des Züchtungsfortschrittes genauer zu untersuchen, wurden in den Jahren 2015 und 2016 alle Winterweizensorten, die jemals im Langzeitdüngungsversuch angebaut wurden, in den 24 Düngevarianten parallel angebaut. Mit überraschendem Ergebnis: die Ertragsunterschiede zwischen alten und neuen Sorten waren viel geringer, als erwartet. So konnte die im Jahr 1895 in Verkehr gebrachte Sorte Strubes Dickkopf im Jahr 2015 auf den gut mit Nährstoffen versorgten Flächen Erträge von fast 10 t pro ha erzielen, nicht viel geringer als die modernen Sorten Tommi und Premio mit Erträgen von etwa 12 t pro ha. Detaillierte Ergebnisse wurden im September in einem Artikel in der Zeitschrift Environmental Research Letters veröffentlicht. Von der auf den gut mit Nährstoffen versorgten Flächen beobachteten Ertragssteigerung im Zeitraum seit den 1950er Jahren konnte also nur etwa ein Drittel direkt mit dem Züchtungsfortschritt erklärt werden. Doch welche Faktoren können den Rest erklären?

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Um diese Frage zu beantworten, wurde im Oktober auf dem Reinshof nahe Göttingen ein Versuch angelegt, in dem für die auf dem Dikopshof angebauten Winterweizensorten ebenfalls angebaut werden. Angeordnet in 12 Blöcken, wird neben ihrer Reaktion auf drei Düngestufen auch die Wirkung von Pflanzenschutzmitteln und Wachstumsregulatoren auf Wachstum und Ertrag geprüft. Ziel ist die Quantifizierung der Beiträge von Züchtung, Düngung, Pflanzenschutz und Wachstumsregulatoren sowie ihrer Interaktionen auf den Ertragsfortschritt von Winterweizen im letzten Jahrhundert. Der Versuch bietet darüber hinaus für Studierende die Möglichkeit zur Anfertigung von Abschlussarbeiten zu einer Vielzahl von Fragestellungen. Neben dem besseren historischen Verständnis der „Grünen Revolution“ hat der Versuch auch Relevanz für aktuelle Entwicklungen. So gibt es heute Akzeptanzprobleme und zunehmend Einschränkungen bei der Verwendung von Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln, wobei die mit den Einschränkungen verbundenen Ertragswirkungen sehr unterschiedlich eingeschätzt werden. Hier können belastbare Zahlen zu einer Objektivierung der Diskussion beitragen.

Originalveröffentlichungen:
Ahrends, H.E., Eugster, W., Gaiser, T., Rueda-Ayala, V., Hüging, H., Ewert, F. and Siebert, S., 2018. Genetic yield gains of winter wheat in Germany over more than 100 years (1895–2007) under contrasting fertilizer applications. Environmental Research Letters, 13, 104003.
Rueda-Ayala, V., Ahrends, H.E., Siebert, S., Gaiser, T., Hüging, H. and Ewert, F., 2018. Impact of nutrient supply on the expression of genetic improvements of cereals and row crops – A case study using data from a long-term fertilization experiment in Germany. European Journal of Agronomy, 96, 34-46.
Weitere Informationen:
Versuchsbeschreibung auf der Webseite der Abteilung Pflanzenbau
Themenvorschläge für Bachelor- und Masterarbeiten in der Abteilung Pflanzenbau 
Kontakt:
Prof. Dr. Stefan Siebert und Katharina Hey
Department für Nutzpflanzenwissenschaften
Abteilung Pflanzenbau
Von-Siebold-Str. 8
37075 Göttingen
https://www.uni-goettingen.de/Pflanzenbau

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